Bildschirmfoto 2020 10 22 um 02.49.13Staatlicher Rechnungsprüfer legt kritischen Bericht vor

Redaktion tachles

Tel Aviv (Weltexpresso) - Matanyahu Englman sei Dank. Denn in seiner Funktion als staatlicher Rechnungsprüfer deckte er soeben einen beispiellosen Skandal in Israel auf. Im Haushaltsjahr 2018/19 hat das Sozialministerium gerade mal 30 Prozent eines 30 Millionen Schekel Budgets (rund 8 Millionen CHF), das für Holocaust-Überlebende zur Verfügung steht, ausgegeben.

Rund 70 Prozent der Holocaust-Überlebenden in Israel leben in sozialer Armut. Schuld daran, so Englman, seien mehrere staatliche Institutionen. Bereits 2017 gab es einen Bericht, der zeigte, dass gerade mal 67 Prozent der Überlebenden, rund 51 000 Menschen, Unterstützung erhielten. Schuld daran waren schon damals das Finanzministerium, und da besonders die Holocaust Survivors Rights Authority Unit, aber auch andere Ämter, die sich nicht um die Anliegen dieser Menschen kümmerten.

Englman kritisierte in seinem am Montag veröffentlichten Bericht, dass seit damals keinerlei Massnahmen getroffen wurden, um die Lage zu verbessern. Dass gerade mal neun Millionen Schekel (rund 2,5 Millionen CHF) von den 30 Millionen ausgegeben wurden, führte dazu, dass viele Überlebende keinen Zugang zu medizinischen und sozialen Versorgungsmassnahmen haben, die ihnen den letzten Lebensabschnitt erleichtern könnten. Englmans Bericht zeigt auch, dass die im Jahre 2018 geschaffene Holocaust Survivors Rights Authority Unit keinerlei Untersuchungen veranlasst hatte, um herauszufinden, wieviele Überlebende besondere Unterstützung benötigten – und für welche Bereiche. Selbst die Einrichtung von Notfall-Knöpfen in den Wohnungen von 9000 Menschen, die die Hölle der Nazis überlebt hatten, gelang nicht, weil das Geld nicht zugewiesen worden war.

Wörtlich schreibt Englman in seinem Bericht: «Viele Holocaust-Überlebende spielten eine Rolle bei der Entstehung des Staates, manche waren Wirtschaftsgrössen oder politische Führer [...] Die Zeit läuft aus, die Zahl der Überlebenden nimmt ständig ab. Die verantwortlichen Behörden müssen dieser Angelegenheit grössere Bedeutung geben, sie müssen die Fehler untersuchen, die in dem Bericht genannt werden, und sie korrigieren.»

Es besteht kein Zweifel, wenn irgendein anderer Staat so mit Holocaust-Überlebenden umgehen würde, wäre Israel schnell dabei, die ausländischen Behörden öffentlich massiv zu kritisieren. Im jüdischen Staat aber scheint alles möglich. Sogar die Vernachlässigung der Opfer der grössten Menschheitskatastrophe der Geschichte.

Foto:
Moshe HaElion, 92, ein in Holocaust-Überlebender der in Israel wohnt, zeigt seine eintätowierte Häftlingsnummer aus Auschwitz
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Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 21. Oktober 2020