Bildschirmfoto 2020 11 19 um 00.59.27Palästinensische Autonomiebehörde kündigt Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit Israel an

Redaktion tachles

Basel (Weltexpresso) - Im Nahen Osten ist alles immer nur eine Frage der Zeit. Dann kann man die immerselben Mechanismen erleben. So auch jetzt wieder. Nachdem die Palästinensische Autonomiebehörde im Mai die Zusammenarbeit mit Israel im Bereich Sicherheit und zivile Belange aufgekündigt hatte, wurde nun verkündet, dass man ebendiese wieder aufnehmen werde. Die Palästinenser hatten die Koordination beendet, nachdem Israel erklärt hatte, es werde zum 1. Juli Gebiete im Westjordanland annektieren – wozu es allerdings nie kam.

Gleichzeitig hatte sich die PA geweigert, die von Israel für sie regelmässig eingenommenen Steuern in jenen Gebieten, die der jüdische Staat kontrolliert, anzunehmen. Nun also die 180 Grad-Kehrtwende, die allerdings niemanden verwundern kann, der die politische Gemengelage vor Ort kennt. Die PA kam durch Covid-19 in immer grössere finanzielle Nöte, hatte kaum noch einen Cash-Flow und konnte ihren Angestellten nur noch die Hälfte derer Gehälter ausbezahlen.

Israel hatte die Steuereinnahmen an palästinensische Banken überwiesen statt wie sonst üblich direkt an die PA. Dadurch musste die palästinensische Führung aufgrund ihrer eigenen Entscheidung unnötige Kredite aufnehmen. Der palästinensische Premierminister Mohamad Shtayyeh erklärte, die Zusammenarbeit werde teilweise auch wieder aufgenommen, um die Covid-19-Pandemie besser zu bekämpfen. «Wir leben so eng miteinander, wir können die Pandemie nicht allein bewältigen», erklärte Shtayyeh. Zehntausende Palästinenser gehen jeden Tag in Israel zur Arbeit.

Dass die Wiederaufnahme der Kooperation mit Israel gerade jetzt geschieht, hat aber auch noch andere Gründe: Der neugewählte amerikanische Präsident Joe Biden steht für eine andere Palästinenserpolitik. Er wird mit Sicherheit den Palästinensern wieder die politische und finanzielle Unterstützung geben, die sie bis zur Präsidentschaft von Donald Trump hatten. Dafür aber muss sich Ramallah kooperativ zeigen, was im Grunde auch im eigenen Interesse ist. Die Ankündigung der Zusammenarbeit kam aber gleichzeitig auch ungelegen. Denn im Augenblick verhandeln wieder einmal die radikal-islamischen Gruppen mit der PA. Wieder einmal wollen sich die Palästinenser versöhnen. Doch nach der Ankündigung gab es scharfe Worte und Proteste seitens der Hamas und des Islamischen Jihad. Die geplante Versöhnung könnte also bald – einmal mehr – scheitern.

 Foto:
Der palästinensische Premierminister Mohamad Shtayyeh
© tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 18. November 2020