Andreas Mink
New York (Weltexpresso) - Am Wochenende hat das US-Justizministerium Reisebeschränkung für den Ex-Spion im Dienste Israels aufgehoben. Nun plant Jonathan Pollard die Auswanderung in den jüdischen Staat. Premier Benjamin Netanyahu begrüsste am Sonntag einen Besuch, für den er sich persönlich über viele Jahre eingesetzt hat: «Ich freue mich darauf, bald Jonathan Pollard und seine Frau Esther in Israel willkommen heissen zu können.» Das Paar will sich in Israel niederlassen.
Pollard war am 21. November 2015 auf Bewährung aus der Haft entlassen worden. 2018 hatte das US-Justizministerium die Aufhebung der damit verbundenen Restriktionen abgelehnt. Israel hatte seinerzeit eine formelle Ausreisegenehmigung für Pollard beantragt, wurde aber negativ beschieden. Doch nun verzichtete Justizminister Bill Barr auf eine Verlängerung der Bewährungs-Auflagen, darunter auch einem Reiseverbot ins Ausland. Damit ist das Drama um den heute 66-jährigen Pollard indes noch nicht ausgestanden.
Pollard war am Nachrichtendienst der US-Navy tätig und begann 1984 mit der Weitergabe geheimer Informationen an Israel. Ein Jahr später wurde Pollard verhaftet und wegen Spionage angeklagt. US-Geheimdienste drangen auf eine harte Strafe. Pollard bekannte sich 1987 schuldig und wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Dort wandte sich der zunächst kaum religiöse Pollard dem Glauben zu und allmählich wuchs die Zahl seiner Unterstützer in der amerikanisch-jüdischen Gemeinschaft über Orthodoxe und konservative Organisationen hinaus.
Pollard wurde schließlich 2015 nach langem Drängen auch aus Israel auf Bewährung entlassen. Seinerzeit gab es Gerüchte, wonach Präsident Barack Obama und US-Außenminister John Kerry dadurch Zugeständnisse Israels bei Friedensgesprächen mit den Palästinensern einhandeln wollten. Dazu kam es jedoch nicht.
Die Affäre war lange ein sensibles Thema. Bei seiner Entlassung erklärte der ex-Diplomat Stuart Schwartzstein topnews gegenüber, der Fall Pollard sei für amerikanische Juden schwierig und schmerzhaft. Mache sich ein Mitglied eines Vergehens schuldig, werde dies als Makel für die gesamte Gemeinschaft empfunden. Die Pollard-Affäre habe zudem den alten Vorwurf der «doppelten Loyalität» zumindest in das amerikanisch-jüdische Bewusstsein gerufen – die Unterstellung also, dass Juden ihr eigener Staat und ihre Gruppe wichtiger sei, als ihre Verpflichtungen als US-Staatsbürger. Die zunehmende Sympathie und Unterstützung für Pollard sprach daher auch für ein wachsendes, jüdisches Selbstbewusstsein und Mut zu komplexeren Positionen: dass man also durchaus loyaler US-Bürger sein und sich gleichzeitig für Israel und eigene Anliegen einsetzen kann.
Am Wochenende sprachen Netanyahu und Pollard dem israelischen US-Botschafter Ron Dermer besonderen Dank für dessen Engagement für die Aufhebung der Bewährung aus. Laut Netanyahu hat Dermer in den letzten Jahren über 150 Gespräche mit Pollard geführt. Der prominente Jurist Alan Dershowitz erklärte dem «Jewish Insider» dazu, die Massnahme sei mehr als überfällig gewesen. Der israelische Gesundheitsminister Yuli Edelstein will Pollard und seiner krebskranken Frau Ressourcen für eine angemessene Pflege bereitstellen.
Mit Seymour Reich warnte einer der wichtigsten Unterstützer Pollards in den USA jedoch davon, den ex-Spion in Israel als Helden zu empfangen. Reich war Vorsitzender der «Conference of Presidents of Major American Jewish Organizations». Er sagte dem «Jewish Insider», andernfalls könne der alte Vorwurf der «doppelten Loyalität» in den USA doch erneut laut werden. Ähnlich kommentierte Ex-Premier Ehud Olmert mit Blick auf den Machtwechsel in Washington: Pollard sei ein Spion gewesen und habe Israel dadurch in schwierigen Zeiten geholfen. Aber ihn nun laut zu bejubeln könnte die Beziehungen zu Washington unter der kommenden Regierung von Joe Biden schwer beschädigen. Gleichzeitig wird die Aufhebung der Bewährung in Washington als Abschieds-Geschenk der Trump-Regierung an Netanyahu gesehen.
Foto:
Jonathan Pollard
© tachles
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 24. November 2020
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 24. November 2020