Kulisse auf Parteitag der Grunen IIBildschirmfoto 2020 11 25 um 21.05.08Wie tief und wohin läßt das Fernseh-Einrichtungsdesaster des Parteitags der Grünen schließen?

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Zuerst dachte ich, ich traue meinen Augen nicht. Ein Parteitag im Wohnzimmer? (rechts) Sozusagen die Umkehrung der Verhältnisse? Parteitage, die sonst in großen Hallen abgehalten werden, die nicht gerade gemütlich sind, aber immerhin von persönlich anwesenden Menschen in bunten Kleidern gewärmt werden, die auch zwischendurch am Platz quatschen und Kaffee trinken, - früher strickten sie bei den Grünen dazu, Männer und Frauen, wogegen ich nicht das Geringste habe, weder das Stricken, noch, daß es Männer und Frauen tun, - solche Parteitage müssen angesichts von Corona ausfallen und durch Digitales ersetzt werden. Soll durch dieses, im Berliner Tempodrom aufgebaute „Wohnzimmer“ suggeriert werden, daß bei den Grünen trotzdem das Private, die gemeinsame große bunte Familie lebt?

Die vielen Gedanken und Gefühle, die mir spontan durch den Kopf gingen, kann ich gar nicht alle aufführen. Auf jeden Fall habe ich kein Wort von Habeck und Baerbock mitbekommen, so sehr war mein Inneres mit dem Bild vor meinen Augen beschäftigt. Denn ich sah keinen Parteitag, ich sah vor meinem inneren Auge eines meiner Lieblingsbilder, das so stark wie es Kunst selten gelingt, den Zeitgeist widerspiegelt. Das ging vielen so, die in der Collage „Just what is it that makes today's homes so different, so appealing?"  (oben links) von Richard Hamilton aus demJahr 1956 den zur Kunst geronnenen Ausdruck der Zeit fanden, weshalb das Kunstwerk auch ständig unterwegs bei ‚Ausstellungen war. Mit diesem Bild im Kopf sah ich das öffentliche Wohnzimmer der Grünen sofort

1.als Collage
2. als Zeitgeist
3. als Abscheulichkeit.


Aber der Reihe nach. Es kennen ja leider, leider nicht mehr alle den seit Martin Luther bekannten Hampel, der heute noch umgangssprachlich als „Du, Hampel“, vor allem als Verb „“hampeln, herumhampeln“ bekannt ist, auch noch in Hampelmann erkennbar, der sich im Lauf der Jahrhunderte zu Hempel wandelte, zumindest in seiner generalisierenden Form, wenn es um häusliche Unordnung ging. Wenn nun GEOLINO, deren Hörspiele gerade in der Redaktion gehört und besprochen wurden - siehe unten -ausführt: „Wenn jemand sagt, dass es in einem Zimmer aussehe 'wie bei Hempels unterm Sofa', dann ist damit gemeint, dass sich das Zimmer in heilloser Unordnung und Chaos befindet. Aber wer sind diese 'Hempels'? So genau weiß das keiner, denn die Herkunft der Redewendung ist nicht eindeutig geklärt. Es scheint sich aber nicht um eine real existierende Familie mit dem Namen "Hempel" gehandelt zu haben, die die Redewendung prägte.

Bildschirmfoto 2020 11 25 um 21.05.08Fest steht, dass "Hempel" sich aus dem Wort "Hampel" herleitet, womit man früher einen einfältigen und unkultivierten Menschen bezeichnete. Dieser Begriff war schon zu Zeiten Martin Luthers (1483-1546) bekannt. Erst im 20. Jahrhundert verbreitete sich dann die Redewendung von "Hempels Sofa"...“ , wenn also GEOLINO so den Spruch herleitet, der ja nix zur Einführung des Sofas sagt, dann haben wir persönlich die Variante mit dem Sofa immer so verstanden, daß in einem unaufgeräumten Heim die Klingel überraschenden Besuch ankündigt, weshalb rasch alles auf Tisch, Stuhl, Bett und Boden Liegende, mit dem Besen unters Sofa gekehrt wird, so daß es bei häuslicher Unordnung eben aussieht wie: bei Hempels unterm Sofa.

Aber das ist ja erst der sprachliche Zugang zur Überschrift, denn natürlich geht es uns um etwas ganz Anderes, das mir weniger Stilkritik als Kritik ist, das Ambiente nämlich, das die Grünen als visuelles Zentrum ihres Parteitags ja doch mit Absicht zusammengestellt haben, damit nicht kahle Wände die Kälte von Digitalem widerspiegeln, sondern Nähe erlebt wird. Was schon die erste geplante Täuschung ist. Denn Digitales bleibt kahl. Das ist ehrlich. Interessant war,  wenn man bei den zugeschalteten Delegierten deren „Wohnzimmer“, meist Arbeitszimmer sieht, wobei ja ein politisch Tätiger in seinem Arbeitszimmer wohnt und lebt.

Kulisse auf Parteitag der Grunen IIAber der eigentliche Vergleich, um den es mir geht, ist einerseits das Bild auf dem Fernsehschirm, Habeck und Baerbock auf dem Sofa, und andererseits, was im inneren Auge erschien: Richard Hamiltons Collage von 1956 „Just what is it that makes today's homes so different, so appealing?" Wer die kleine bunte Collage anschaut, die weltberühmt als erstes Stück der POP ART heute der Kunsthalle Tübingen gehört (!!), erkennt auf den ersten Blick die Kulturkritik an der neuen Konsumwelt. Da gibt es noch das spießige Wohnzimmer mit den Utensilien von Couch, Teppich, Tisch, Porträt im Goldrahmen, aber dazu kommen in der 50ern die neue Konsumwarenwelt: Fernseher, Staubsauger, Bodybuilding, was heute Fitness heißt, Tonbandgerät vorne, Plakat an der Wand, Lampe in der linken Ecke und eine Marken-Schinkendose als Kunstwerk (es war nicht Warhol, der so was seriell mit Hot Dogs Bean Campbell‘s Suppen erfand) und mehr.

Bildschirmfoto 2020 11 26 um 01.40.40Schauen Sie genau hin, dann finden Sie links in der Ecke den leeren Sessel und rechts oben die in den 50er Jahren obligatorische Grünpflanze. Immer nur ein einziger Stock, aber ein hoher, raumeinnehmender mit großen Blättern,die die Superhausfrau polierte! Wie man sieht.

Und jetzt schauen Sie sich das TV-Grünenwohnzimmer an. Nix mit ‘different‘ und schon gar nichts mit ‚appealing‘ ! Nämliche Grünpflanze taucht ebenfalls an der rechten Seite dort wieder auf, über florale Gattungsunterschiede mögen sich andere Gedanken machen, uns geht es um die Funktion einer einzigen raumhohen Grünpflanze, die ja gezähmte Natur suggerieren soll, woran Habeck/Baerbock anknüpfen. Und auch der leere Sessel auf der Linken taucht auf. Der ist für den Besuch, wenn die Gäste – hier die Fernsehzuschauer kommen, darum muß er leer sein. Bei Hamilton liegt wenigstens noch eine Zeitung drauf, so was Intellektuelles kommt bei den Grünen nicht vor, da wartet das überdimensionierte Kissen auf den Besucher. Soll ja gemütlich sein.

Was haben sich die Leute bloß bei dieser Ansammlung von Scheußlichkeiten gedacht. Der Sessel sieht ja nach Moderne aus, egal ob echt oder nachgemacht bei Ikea, aber die Farbe? Die war mal in den Siebzigern modern, zusammen mit Braun und Orange. Und diese Farben findet man in Couch und Wand wieder, wobei die Couch bei manchen Wiedergaben wohl eher ins Altrosa tendiert, übrigens gäbe es ab heute passende Kissen und einen Puff bei ALDI zu günstigen Preisen. Aber auf den meisten Fotos sieht es doch nach Orange aus. Nur möchte ich das einfach nicht glauben, denn das rotfarbige Kleid der Vorsitzenden paßt einfach nicht zu einem orangfarbenen Sofa. Gar nichts anfangen kann ich mit der so seltsam unruhigen Wand in Beige-Braun, die den Augentäuschertrick versucht und die Ecke verschweigt, bzw. die Wand wie eine gerade Fläche erscheinen läßt. Nur wozu? In der linken Ecke steht eine dreikugelige Stehlampe, etwas surrealistisch- avantgardistisch mit Weltraumassoziationen,so wie die Kugellampen damals daherkamen. Nein, keine Angst, die Lampe steht dort nur aus atmosphärischen Gründen und ist nicht zum Lesen da. Das wäre auch sinnlos. Denn in diesem Wohnzimmer – und das ist neben allem Scheußlichen – das Gemeine, gibt es kein einziges Buch, noch nicht einmal wie in Hamiltons Konsumkritik eine Zeitung, die übrigens auch dort nicht aufgeschlagen und gelesen ist, sondern ungeöffnet auf dem Sessel liegt. Aber immerhin, Gedrucktes mußte in einem Bild von 1956 noch dabei sein. Darauf kann man laut Grünen-Wohnzimmer heute verzichten.

Und die zwei kleinen Tische? Unbehaust, also leer?! 1956 gab‘s im ironisch gemeinten gemütlichen und attraktiven Heim auf ebenfalls zwei schwarzen Tischen immerhin noch eine Tasse Kaffee und etwas zu essen. Kommen wir zur Wand, die anders als im englischen Pendant, wo sie schlicht hellgelb ist, denn Bilder sollen sich ja abheben, ein Unruheherd ist. Auf solche Tapeten hängt man eigentlich keine Bilder, die ja hier ja schlichte Fotos im Rahmen sind. Zu unruhig. Und was zeigen die Fotos? Wir konnten nicht alle identifizieren, haben aber oft im Bild die beiden wiedererkannt, die vorne auf dem Sofa rechts und links sitzen: Annalena Baerbock und Robert Habeck, die beiden Vorsitzenden. Ist das nicht peinlich und das, was wir früher Personenkult nannten? Gegen Fotos an einer Wand ist ja nichts einzuwenden, ja man hätte daraus eine kleine Geschichte der Grünen abbilden können. Was ist mit Petra Kelly, mit all den Frühen, die aus einer kulturkritischen Bewegung heraus, nämlich wie wir leben und auf Kosten von wem und was, also wie wir leben sollten, eine Partei machten? Da sehe ich Joschka Fischer mit den Turnschuhen bei seiner Vereidigung 1985 im Hessischen Landtag. Und soll  das Ludger Volmer sein? Und das weitere Foto spielt im Bundestag? 

Das, was dieses spießige Wohnzimmer zeigt, darf doch nicht alles sein, was von einer solchen, wie gesagt, kulturkritischen und zur Gestaltung der Welt bereiten Bewegung als Partei nun geblieben ist. Also fragt man sich angesichts der visuellen Scheußlichkeiten des TV-Wohnzimmers der Grünen, die ja inhaltliche sind: „Just what is it that makes today's green tv-homes so different, so appealing?" NEIN.DANKE.

Foto:
Just what is it that makes today's homes so different, so appealing?
©landesstelle.de
TV-Wohnzimmer des Grünen Parteitags
© tagesschau.de

Info:
https://www.geo.de/geolino/redewendungen/6883-rtkl-redewendung-wie-bei-hempels-unterm-sofa