Des US-amerikanischen Präsidenten Tweete zur Mauer wurden dem El Paso-Attentäter zur Rechtfertigung
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Klaus Brinkbäumer und Stephan Lamby beschreiben in ihrem Buch ‚Im Wahn. Die amerikanische Katastrophe' überzeugend wie eine Trump-Rede Stichwortgeber für das Massaker durch Patrick C. in der Walmart-Filiale 7101 von El Paso, einem Konsumtempel für alles Mögliche, wurde und auf nichts als Lügen und übler Nachrede beruhte.
Es darf behauptet werden: Trump schoss mit. Im Land erzeugte Stimmungen dürften die entscheidende Rolle für das Vorgehen des bereiten Mörders gespielt haben. Er gab nachher zu, dass er „so viele Mexikaner wie nur möglich töten“ wollte. Mexikaner waren für Trump das Allerletzte. Was die von ihm herabgesetzten Migranten anbetrifft, stammten diese aber nicht aus Mexiko, sondern setzten sich in El Salvador, Guatemala und Honduras in Bewegung, um vor der Armut und Kriminalität ihrer Heimatländer zu entfliehen.
Auch war El Paso, dem Ort des hemmungslosen Massenmords, der Unschuldige und Beliebige traf, gar nicht die von Trump im Sinn von gefährlich und kriminell gebrandmarkte, von Einwanderern überlaufene Stadt, sondern hatte im Gegenteil die zweitniedrigste Quote an Gewaltverbrechen über die Anzahl von 20 Städten vergleichbarer Größe. Jim Acosta von CNN, der beim Briefing im East Room des Weißen Hauses nachhakte und Trump fragte, ob er denn nicht Flüchtlinge dämonisiere, wenn er von Invasion krimineller Ausländer und dem Mauerbau peroriere, wurde in der spektakulär über alle Sender gegangenen Szene nach dem Schlagabtausch mit Trump vom Präsidenten desavouriert, indem eine Praktikantin sich ermächtigte, ihm das Mikrophon entwenden zu wollen, was nicht gelang. Acosta übergab dieses dann doch. Rotunterlaufen wirkte Donald Trump in dieser Szene zunehmend wie ein Rasender, der sich im Wahnsystem der Bedrohungen durch Fake-News, des Fakten-Checks und seiner Opferrolle in die Enge getrieben sah.
Smilies - meistens von der allerdümmsten Art
Auch der Attentäter Patrick C. hatte Tweets von Donald Trump mit Smilies versehen. Ebenso hatte dieser erklärte Massenmörder an den um den Walmart zufällig Anwesenden das Waffenarsenal an Sturmgewehren und Pistolen eines anderen Waffennarrs für gelungen befunden. Wie Trump den Terror-Anschlag mit dem durch die Straße rasenden Auto von Charlottesville im Jahr 1917 kommentierte, offenbarte, dass er nach dieser Seite hin offen ist. Nämlich mit einem positiven Verhältnis zu rechten Milizen und rechtsradikalen Schlägern. Aufschlussreich ist auch, dass auch er für die „hispanische Invasion“ den Terminus ‚Replacement‘ verwendet (‚Umvolkung‘). Der Waffenfetischismus dient der US-amerikanischen Paranoia und dem Verfolgungswahn von Alteigesessenen, deren Vorfahren selbst mal als Fremde kamen.
Judd Legum von der Website „Think Progress“ ist überzeugt, dass Donald Trump sprachlich den Hassverbrechen und der entfesselten Gewalt Legitimation verschafft habe. Diese haben unter seiner Präsidentschaft zugenommen. Aber es gibt immer wieder auch Menschen am Straßenrand, die gegen die enthemmte Sprache und Arroganz von Trump demonstrieren, wenn sein Konvoi sich an ihnen vorbei bewegt. So geschehen, als Trump sich nach Dayton/ Ohio begab, wo kurze Zeit später – nach dem ersten - ein zweiter Attentäter um sich schoss und neun Menschen tötete.
Was seine Reaktion auf den Anschlag von El Paso anging, so waren die Bewohner dieser hinterrücks betroffenen Stadt gar nicht erfreut, dass Trump gerade dorthin fuhr wo er eine Philippika gegen „kriminelle Ausländer“ wenige Monate zuvor gehalten hatte. Er musste dort feststellen, dass er nicht erwünscht war. Eigentlich wollte er ins Hospital fahren, doch er bekam von daher eine Abfuhr. An einem Bett zweier Angehöriger von Überlebenden vom Walmart durften keine Fotos gemacht werden, er konnte sich nicht in ein vorteilhaftes Licht rücken. Die First Lady konnte nur noch das Baby des jungen erschossenen Ehepaars drücken. Melania zeigte ihr mildes Lächeln. Trump aber streckte den Daumen nach oben und grinste. Die Autoren kommentieren: „Ein Siegergrinsen. Alles im Griff.“
Vier Tage zuvor
Generalstabsmäßig ist das Kennzeichen der Nazis. Aber auch eines Attentäters. Das Attentat von El Paso geschah am 3. August 2019. Der Attentäter bewegte sich rammend voran wie eine Raupe durchs Unterholz, aber menschlich vollkommen abgedreht. Obwohl der Attentäter es auf Mexikaner abgesehen hat, läuft er schnurgerade zwischen parkenden Autos und schießt unterschiedslos auf möglichst alle Menschen vor ihm. Ein Vater bringt Mädchen noch zum Weglaufen. Wenige von vielen schaffen es, sich irgendwie zu retten. Der Amokläufer und im Hauptmotiv Rassist, der der Pamphlete-Plattform ‚8chan‘ anhing, treibt Verzweifelte vor sich her. Der Ruf „Shooter, shooter“ ergeht noch vor dem Supercenter. Bei tausend Kunden aber ist Rettung schwierig, weil der Überblick fehlt.
Besonders sticht der Tod eines jungen Ehepaars heraus. Es mochte den ersten Hochzeitstag feiern. Die Anchondos haben ihr Baby dabei. Der Ehemann versucht seine Familie zu beschützen, springt vor seine Frau mit dem Baby im Arm. Diese beiden Erwachsenen werden erschossen. Das Baby wird verletzt, aber es überlebt. Am Ende waren 22 Menschen tot, 13 Amerikaner, acht Mexikaner und ein Deutscher, der mit einer Mexikanerin verheiratet war und aus Ciudad Juàrez jenseits der Grenze von Texas kam. Texas war immer ein Sehnsuchtsort von Europäern, für die Nordamerika ein realer Mythos für Freiheit - und Abenteuer - war, in den irgendwann auch einmal eingewandert werden könnte.
Die Autoren verweisen noch auf die ‚Winslow-Trilogie‘, in der im dritten Band ein Präsident auftritt, der lügt und betrügt und einen ebensolchen Sohn hat. Beide vermischen Drogen- und Immobilien. Die Fragen nach dem realen Hintergrund aber überspringen die Winslows geflissentlich.
Foto ©
kontrast.at