
Klaus Jürgen Schmidt
Nienburg/Weser (Weltexpresso) – Am 5. Januar wies eine sorgfältig recherchierte Dokumentation auf „arte“ nach, dass weder im kapitalistischen Westen noch im sozialistischen Osten Deutschlands eine Entnazifizierung wirkungsvoll stattgefunden hat.
Ich stelle hier zwei Deutsche vor, die ihr ganzes berufliches Leben der Aufgabe gewidmet haben, das zu ändern. Der eine als Sohn eines Antifaschisten, der andere als Sohn eines Nazi-Nutznießers.


Der Briefwechsel zwischen dem sudetendeutschen Antifaschisten Eugen Nelhiebel und seinem damals 17jährigen Sohn Kurt beginnt mit dessen Einberufung zur Wehrmacht im Dezember 1944 und endet im Mai 1945. Die Briefe des Vaters liegen in Original-Durchschrift vor, einer davon im Original. Es ist jener Brief, der dem Sohn das Leben gerettet hat, als er bei der Heimkehr aus Krieg und Gefangenschaft im Mai 1945 tschechischen Partisanen in die Hände fiel.


Jörg Wollenberg machte mir eines seiner sehr persönlichen Forschungsergebnisse zugänglich.„Sonderführer“ auf Raubzüge im Osten. Verhinderte Reise in die Ukraine 1943 - eine familiäre Spurensuche. Daraus diese Bilder mit Texten von Jörg Wollenberg:

Jörg Wollenberg: Auf einem Eutiner Dichtertreffen vom September 1936 mit Vertretern des Ministeriums für Volksaufklärung und Propaganda konnte der Regierungspräsident auch auf Erfolge im Sportbereich verweisen. So fuhren 1936 von Eutin zwei Sportler nach Berlin: Der herausragende Zehnkämpfer Hans Heinrich Sievert und Fritz Wollenberg. Sie waren während der Olympischen Spiele in Berlin zum Zuschauen verurteilt. Der eine, Sievert, weil der Weltrekordhalter im Zehnkampf und große Favorit für die Goldmedaille verletzt war. ...

... Der andere, mein Vater, weil er sich im Weitsprung nicht für die Spiele qualifizieren konnte. Dafür durfte er als Mitglied von Riemann Eutin am 4. August 1936 den Sieg von Jesse Owens über Lutz Long als Zuschauer im Olympiastadion zur Kenntnis nehmen.
Ein Sieg, der aus der Sicht der nationalsozialistischen Ideologie minderwertigen schwarzen Rasse über den mit allen arischen Attributen ausgestatteten deutschen Wettkämpfer.
Ein weiteres besonders Ereignis aus diesen Berliner Tagen blieb zu seinen Lebzeiten unerwähnt. ...

(Faltkarte vom August 1936, hergestellt in Frankreich als „Weltrekord des Terrors“. Format 53x 42 cm. Sie wurde per Post von Frankreich aus ausländischen Teilnehmern an den Olympischen Spielen in Berlin zugestellt. Fundort IML, ZPA, I 2/8, heute im Staatsarchiv Berlin. Weiterer Fundort: IISG, Collection Comité Sportif International du Travail und Privatarchiv Jörg Wollenberg.)
... Diese Karte lag jahrelang verborgen auf dem Dachboden unseres Wohnhauses in Ahrensbök in einem Koffer mit zahlreichen anderen „Raritäten“ aus der NS-Zeit. Erst nach dem Tode meines Vaters (1971) entdeckte ich sie bei Aufräumarbeiten. Kein Wort der Erinnerung daran zu seinen Lebzeiten. Die NS-Zeit blieb auch gegenüber mir, dem ältesten 1937 geborenen Sohn von fünf Kindern, der ab 1957 in Hamburg, Göttingen und Paris Geschichte, politische Wissenschaften und Germanistik studierte, trotz aller Nachfragen tabuisiert. Erst die Eröffnung der NS-Gedenkstätte Ahrensbök in Holstein veranlasste mich, der Geschichte der wenig bekannten „Übersichtskarte“ nachzugehen. Ich trug so dazu bei, dass dieser „Weltrekord des Terrors“ in der Gedenkstätte Ahrensbök gezeigt wird – als Einstieg in die dort von Wolf Leo und mir präsentierte Dauerausstellung zur Geschichte der frühen Konzentrationslager im Landesteil Lübeck des Freistaates Oldenburg mit den „Schutzhaftlagern“ in Eutin, Bad Schwartau und Ahrensbök vom März 1933 bis zum Mai 1934.


Trafo-Verlag, Berlin 2020, ISBN 978-3-86464-063-6
Jörg Wollenberg: Über meine Reisen in die DDR und nach Polen als VHS-Leiter in Bielefeld informierte auch der BND das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Akte gelangte auf dem Schreibtisch des Oberbürgermeisters der Stadt Bielefeld und veranlasste ihn, „einen besorgten Brief“ zu schreiben: „Wollenberg ist offensichtlich bestrebt, die Volkshochschule in eine bestimmte Richtung zu lenken, die die der Rat der Stadt nicht billigen kann“.

Fotos:
© arte / Wollenberg / Nelhiebel
Info:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jörg_Wollenberg
http://www.gedenkstaetteahrensboek.de/
https://www.kurt-nelhiebel.de/biographie/briefe-des-vaters/
Jörg Wollenberg: Über meine Reisen in die DDR und nach Polen als VHS-Leiter in Bielefeld informierte auch der BND das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Akte gelangte auf dem Schreibtisch des Oberbürgermeisters der Stadt Bielefeld und veranlasste ihn, „einen besorgten Brief“ zu schreiben: „Wollenberg ist offensichtlich bestrebt, die Volkshochschule in eine bestimmte Richtung zu lenken, die die der Rat der Stadt nicht billigen kann“.

Fotos:
© arte / Wollenberg / Nelhiebel
Info:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jörg_Wollenberg
http://www.gedenkstaetteahrensboek.de/
https://www.kurt-nelhiebel.de/biographie/briefe-des-vaters/