Die ersten Filme der Woche der Kritik 2021 27. Februar bis 7. März
Hanno Lustig
Berlin (Weltexpresso) - Warum das Erinnern nicht frei von Bildern und Bilder nicht frei von Unterdrückung sind. Was Menschen und Bäume sich zu sagen haben. Und von der Hoffnung, sich in neuen Verbindungen selbst zu überraschen. Die ersten Filme und Debatten der Woche der Kritik im Überblick. Das Filmprogramm der Woche der Kritik wird vom 27. Februar bis 7. März deutschlandweit kontinuierlich per Stream verfügbar sein. Debatten zu den Programmen finden vom 1. bis 7. März täglich online statt und werden live übertragen.
Unter dem Titel „Auf Spuren“ begegnen sich als Auftakt des Film- und Debattenprogramms der diesjährigen Woche der Kritik zwei Filme, die sich drastischen Realitäten über Ahnungen, Fragmente und Abstraktionen nähern. Für „The Sky Is Red“ arbeitete sich Francina Carbonell durch 60 Stunden Filmmaterial, die 2010 im Zusammenhang mit dem großen Brand des San Miguel Gefängnisses in Chile entstanden und porträtiert einen Moment der Zerstörung, in dem Bilder gegen Menschen arbeiteten: Während Gefängnis-Insassen verbrannten, wurden Überwachungskameras durch Wärter auf leere Wände gerichtet. Unser Konferenzgast Suneil Sanzgiri beschäftigt sich in seiner Arbeit mit Unterdrückungsformen und ihren Verbindungen mit Traumata, Geschichte und Erinnerung. Mit „Letter From Your Far-off Country“ versucht er sich in der Form eines biografischen Essays an einer Auseinandersetzung mit politischen Kämpfen in Indien. Den titelgebenden Brief richtet der Filmemacher an einen entfernten Verwandten, der dort ein wichtiger Vertreter der Communist Party of India (Marxist) war.
„Kunstsprache“: Am Abschlussabend der Woche der Kritik treten zwei Jugendfilme miteinander in Dialog, die durch ihre Stilentscheidungen Kontraste bilden. Caroline Pitzens „FREIZEIT oder: das gegenteil von nichtstun“ präsentieren wir in unserem Programm als Weltpremiere. Sie und ihr Kameramann Markus Koob („Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes“) erforschen darin mit neugierigen Blicken, wie junge Berliner Aktivist*innen politische HaltungenKämpfe besprechen, ihr Handeln reflektieren und versuchen, sich die nächsten Schritte für die Gesellschaft auszumalen. Ein Szenario, in dem die Freizeit ohne die Frage nach Freiheit nicht auskommt. Ihr Film trifft auf „A Museum Sleeps“ von Camille de Chenay, dessen Uraufführung der Filmkritiker Cyril Neyrat beim FID Marseille Festival euphorisch kommentierte: „The emergence of a new fiction film director is not a common thing anymore in France, and it hasn’t been in a long time. So, what exactly is a fiction film director? It is someone who has an infectious thirst for designing frames, for shaping lights and colours, someone who enjoys linking sequences, making jump cuts or wiping from one shot to the next. Their films make apparent that cinema is painting expanded by music – through a game of timbres, the modulation of speed and tones, the precision of rhythms.“ Ein Programm mit zwei Debütfilmen, eine Debatte über die neuen Stimmen des Kinos und die Rhetorik des Films.
In den letzten Monaten hat sich der internationale Filmfestivalbetrieb verändert. Aufgrund der bestehenden Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie mussten zahlreiche Veranstaltungen neue Wege entwickeln, Filme zu präsentieren und zu diskutieren. Ebenso zeigten sich unerwartete Formen der Zusammenarbeit zwischen Projekten sowie eine neue Offenheit für die Abweichung von bestehenden Routinen. Die Woche der Kritik untersucht die Einsichten der vergangenen Monate und erprobt diese als Methode: Wir haben internationale Festivals, die bisher nicht in Verbindung standen, eingeladen, uns Filme vorzuschlagen und gemeinsam mit uns Programme zu kuratieren. Im Rahmen eines ersten Festivaltandems präsentieren die Duisburger Filmwoche und das Black Canvas Contemporary Film Festival die Filme „first in first out“ von Zacharias Zitouni und „Intimate Distances“ von Phillip Warnell. In der Debatte „Über Erkennung“ befragen wir gemeinsam mit zwei Festivalvertretern das Kino auf seine Fähigkeit hin, die Welt und den Menschen erkennbar zu machen und stellen uns der Frage, ob diese dabei automatisch greifbarer und zugänglicher werden.
Die ersten Programme auf einen Blick
Debatte: AUF SPUREN
THE SKY IS RED
R: Francina Carbonell, CL 2020, 73 Min., spanische OmeU – Deutschlandpremiere
LETTER FROM YOUR FAR-OFF COUNTRY
R: Suneil Sanzgiri, US/IN 2020, 17 Min., Hindi/Urdu OmeU – Deutschlandpremiere
Debatte: KUNSTSPRACHE
FREIZEIT ODER: DAS GEGENTEIL VON NICHTSTUN
R: Caroline Pitzen, DE 2021, 71 Min., deutsche OmeU – Weltpremiere
A MUSEUM SLEEPS
R: Camille de Chenay, FR 2020, 71 Min., französische OmeU – Internationale Premiere
Debatte: ÜBER ERKENNUNG
FIRST IN FIRST OUT
R: Zacharias Zitouni, DE/AL, 26 Min., deutsche OmeU
INTIMATE DISTANCES
R: Phillip Warnell, GB/US 2020, 61 Min., englische OF – Deutschlandpremiere
Foto:
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Info:
Die Woche der Kritik ist eine Veranstaltung des Verbands der deutschen Filmkritik, gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds, die Stiftung Kulturwerk der VG Bild-Kunst sowie die Rudolf Augstein Stiftung.
Unsere visuelle Kampagne basiert dieses Jahr auf einem Still des Films „Sugar“ von Bjørn Melhus
© 2021 Bjørn Melhus
Gestaltung: Kai Bergmann (bergmannstudios.de / Instagram: @_kaibergmann)