Jacques Ungar
Tel Aviv (Weltexpresso) - Die Chancen von Binyamin Netanyahu auf die Bildung einer regierungsfähigen Koalition scheinen zusehends zu schwinden.
Nachdem es stundenlang nach der Schliessung der Wahllokale in Israel so ausgesehen hat, wie wenn Netanyahu und seine Gesinnungs-Anhänger ihre Mehrheit von 61 Mandaten knapp wahren könnten, mehrten sich im Laufe der Nacht auf den Mittwoch die Hinweise darauf, dass der Regierungs- und Likudchef diese Mehrheit im Endeffekt verlieren könnte. Er bleibt der Politiker mit der grössten Partei und liess sich als solchen auch schon feiern, doch unterliess er es wohlweisslich, sich schon in der Nacht auf den Mittwoch zum Wahlsieger zu proklamieren.
Seine Chancen auf die Bildung einer regierungsfähigen Koalition scheinen zusehends zu schwinden. Dies vor allem, weil Netanyahu nicht bedingungslos auf die Kooperation von Naftali Bennett und seinen noch sieben Mandaten zählen darf. Ohne diesen Partner aber bleibt die Koalitionsbank für den Likudchef schlicht unerreichbar. Dies umso mehr als dass durch den vermutliche Wegfall der Araber-Partei Raam mit ihren vier Mandaten – Raan hat die Mindestklausel für den Einzug in die Knesset möglicherweise nicht geschafft – das angestrebte Ziel für Netanyahu in noch weitere Ferne gerückt ist.
In den frühen Morgenstunden des Mittwochs kam keine der Parteien zusammen mit möglichen Koalitionspartnern auf mehr als 60 Sitze. Das aber reichte nicht. Am Mittwochmorgen brachte das pro-Bibi-Lager 53 Mandate auf die Waage, die gegnerische Gruppierung hingegen deren 60. Am Horizont nimmt die Alternative eines weiteren, fünften Wahlgangs innert etwas mehr als zwei Jahren immer konkretere Formen an. Die Gefahr dieser Variante liegt darin, dass das wahl- und politikmüde Volk den Gang zur Wahlurne dann noch ausgepräger meiden wird als es dieses Mal schon der Fall war.
Das Ergebnis der israelischen Wahlen ist derart eng, dass der Weg zu einer operablen Lösung fast so viel Zeit beanspruchen und fast so viel an Vesprechungen und finanzieller Unterstützung erfordern dürfte – bereits jetzt von Bestechungen und Tricks zu sprechen, wäre sicher übertrieben -, dass Monate bis zur ersten Sitzung einer neuen Regierung ins Land ziehen dürften.
Was jetztz schon klar erscheint: Blau-Weiss hat ebenso voll überrascht wie die Arbeitspartei mit je sieben Sitzen, Gideon Saars Neue Hoffnung (6) dafür arg enttäuscht, und auch Jesch Atid blieb mit 18 Sitzen zu weit zurück. Am wichtigsten aber: Naftali Bennett (Yamina, 7) kann das Zünglein an der Waage spielen, oder Netanyahu bis jenseits des guten Geschmachs unter Druck setzen. Auch die Arbeitspartei wurde zu einem ernsthaften Vehandlungspartner, zumindest für eine mitte-links-Gruppierung. Netanyahu wird sich drehen und winden müssen und wird schon bald zur Einsicht gelangen, dass sein Wunschbild von einer großen, rasch ezielten Rechts-Koalition wahrscheinlich ein Traum bleiben muss, außer er lässt sich von Bennett die Hosen soweit über die Ohren ziehen, wie es in diesen Spalten gar nich definiert werden darf...
Allen Ministern und Abgeordneten sollte aber eines klar werden: Mit ihrer Rakete, die die Hamas aus Gaza in die Nähe von Beerschewa abfeuerte, gerade als Netanyahu sich am Dienstag anschickte, dort eine Kampagnenfahrt zu veranstalten, dürften die Palästinenser den Israeli unmißverständlich gezeigt haben, wo für sie der wirkliche Hase im Pfeffer begraben liegt. Außer natürlich, die Jerusalemer Politiker lassen sich zu einem fünften Wahgang innert etwas mehr als zwei Jahren überreden.
Bis zur endgültigen Auszählung der Stimmen dürfte es noch Tage dauern, und bis zur Koalitionsbildung, wenn überhaupt, noch Monate.
Foto:
© tachles
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 24.3. 2021
In den frühen Morgenstunden des Mittwochs kam keine der Parteien zusammen mit möglichen Koalitionspartnern auf mehr als 60 Sitze. Das aber reichte nicht. Am Mittwochmorgen brachte das pro-Bibi-Lager 53 Mandate auf die Waage, die gegnerische Gruppierung hingegen deren 60. Am Horizont nimmt die Alternative eines weiteren, fünften Wahlgangs innert etwas mehr als zwei Jahren immer konkretere Formen an. Die Gefahr dieser Variante liegt darin, dass das wahl- und politikmüde Volk den Gang zur Wahlurne dann noch ausgepräger meiden wird als es dieses Mal schon der Fall war.
Das Ergebnis der israelischen Wahlen ist derart eng, dass der Weg zu einer operablen Lösung fast so viel Zeit beanspruchen und fast so viel an Vesprechungen und finanzieller Unterstützung erfordern dürfte – bereits jetzt von Bestechungen und Tricks zu sprechen, wäre sicher übertrieben -, dass Monate bis zur ersten Sitzung einer neuen Regierung ins Land ziehen dürften.
Was jetztz schon klar erscheint: Blau-Weiss hat ebenso voll überrascht wie die Arbeitspartei mit je sieben Sitzen, Gideon Saars Neue Hoffnung (6) dafür arg enttäuscht, und auch Jesch Atid blieb mit 18 Sitzen zu weit zurück. Am wichtigsten aber: Naftali Bennett (Yamina, 7) kann das Zünglein an der Waage spielen, oder Netanyahu bis jenseits des guten Geschmachs unter Druck setzen. Auch die Arbeitspartei wurde zu einem ernsthaften Vehandlungspartner, zumindest für eine mitte-links-Gruppierung. Netanyahu wird sich drehen und winden müssen und wird schon bald zur Einsicht gelangen, dass sein Wunschbild von einer großen, rasch ezielten Rechts-Koalition wahrscheinlich ein Traum bleiben muss, außer er lässt sich von Bennett die Hosen soweit über die Ohren ziehen, wie es in diesen Spalten gar nich definiert werden darf...
Allen Ministern und Abgeordneten sollte aber eines klar werden: Mit ihrer Rakete, die die Hamas aus Gaza in die Nähe von Beerschewa abfeuerte, gerade als Netanyahu sich am Dienstag anschickte, dort eine Kampagnenfahrt zu veranstalten, dürften die Palästinenser den Israeli unmißverständlich gezeigt haben, wo für sie der wirkliche Hase im Pfeffer begraben liegt. Außer natürlich, die Jerusalemer Politiker lassen sich zu einem fünften Wahgang innert etwas mehr als zwei Jahren überreden.
Bis zur endgültigen Auszählung der Stimmen dürfte es noch Tage dauern, und bis zur Koalitionsbildung, wenn überhaupt, noch Monate.
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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 24.3. 2021