Bildschirmfoto 2021 04 04 um 22.42.23Israels schwiierige Regierungsbildung nach den Wahlen

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - Zuerst ließ Raam-Parteichef Mansour Abbas am Donnerstagabend aufhorchen mit seiner an die Israeli gerichteten Rede, und am Freitag stand das erste «Treffen der Gladiatoren» auf dem Programm: Premier Binyamin Netanyahu empfing wenige Stunden vor Beginn des Schabbats Naftali Bennett, Chef der rechtsgerichteten «Yamina»-Partei.

Das Drängen des Likud-Chefs auf die möglichst baldige Bildung einer «echten» Rechtsregierung war so offensichtlich, dass Bibi sogar Staatspräsident Reuven Rivlin den Rang ablief, was das Fabrizieren von Schlagzeilen betraf. Wenige Tage bevor Rivlin am Montag den ersten Kandidaten für die Leitung der Jerusalemer Regierungsbildung nennen würde, haben diverse Parteien das Heft bereits selber in die Hand genommen. So hatte Raam-Chef Abbas (4 Sitze in der neuen Knesset) mit seiner auf Hebräisch gehaltenen Rede auch die letzten jüdisch-israelischen Polit-Experten hinter dem Ofen hervorgelockt. Nicht nur sprachlich waren die Ausführungen ein absolutes Novum, das, je nach Standort des Beobachters, dazu noch sachte Hoffnungen weckte. Ohne die Katze zur Frage aus dem Sack zu lassen, wen Abbas Präsident Rivlin als ersten Kandidaten für die Regierungsbildung empfehlen wolle, hinterließ der arabische Parteichef mit seinem auf Koexistenz ausgerichteten Referat vor allem bei gemäßigten Israeli einen positiven Eindruck.

Bei aller gebotenen und nötigen Zurückhaltung macht es den Anschein, als seien den Israeli in Nazareth ein echter Gesprächspartner erwachsen. Sicherlich dürften viele TV- und Radio-Konsumenten in West-Jerusalem angenehm überrascht davon gewesen sein, dass Abbas sich zwar als «stolzen Araber in Israel» bezeichnete, im Übrigen aber den Begriff «Palästinenser» nicht einmal andeutungsweise erwähnte. Dass die eingefleischten Gegner einer solchen Entwicklung aber noch lange nicht bereit sind, aufzugeben, unterstrich Bezalel Smotrich von der religiös-zionistischen Partei. Für ihn komme ein Zusammengehen mit Raam «oder anderen Terroristen» nicht in Frage, bekräftigte er am Freitag.

Trotz solcher Querschläger sollten sich aber auch jüdische Gegner eines Zusammengehens mit arabischen Politikern als gleichberechtigten Koalitionspartnern allmählich an solche Konzepte gewöhnen, die vor kurzer Zeit noch in Jerusalem beinahe als Landesverrat gegolten haben und zum Teil heute noch gelten.

Premier Netanyahu und Naftali Bennett von «Yamina» trennten sich nach rund drei Stunden ohne einen eigentlichen Schluss-Kommentar anzugeben. Man sei jedoch übereingekommen, weiter im Kontakt zu bleiben.

Für Samstagabend nach Schabbat-Ende stehen bereits weitere Sondierungsgespräche bevor. So kommen Bennett und Oppositionschef Yair Lapid (Jesch Atid) zusammen. Zweifelsohne: Der Koalitions-Zug ist in Fahrt geraten. Eine andere Frage ist allerdings, ob und wie die Weichen bereits auf eine Fortsetzung des Prozesses gestellt sind.

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Kamen zu ersten Sondierungsgesprächen zusammen: Premier Binyamin Netanyahu und Yamina-Chef Naftali Bennett
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Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 2. 4. 2021