Bildschirmfoto 2021 04 26 um 01.52.56Regierungsbildung in Israel

Jacques Ungar


Tel Aviv (Weltexpresso) - Nach Meiung des Yamina-Chefs Naftali Bennett setzt Premier Binyamin Netanyahu sich nicht genügend ein, um mit anderen Partnern eine Einigung über die Bildung einer rechtsgerichteten Regierung zu erzielen. Über Bennetts Erfolgsaussichten gehen die Ansichten auseinander.

Je näher das Ende der Premier Netanyahu von Staatspräsident Rivlin gesetzten Frist für die Bildung einer neuen israelischen Regierung rückt, umso lebhafter gebährden sich potetielle Kandidaten für eine erfolgreiche Bildung der Regierung anstelle von Netanyahu. Am deutlichsten hervorgetan hat sich unter den Rechts-Politiken bisher Naftali Bennett, Vorsitzender der Yamina-Partei.

Vor dem Wochenende meinte er, mit den Aktivitäten begonnen zu haben, eine «Regierung der nationalen Einheit» zu bilden. Bennett begründete diese Absicht mit der Erkenntnis, dass (seiner Meinung nach) Premier Netanyahu nicht in der Lage sei, mit anderen Partnern der Rechten eine Regierung zu bilden. Auf Facebook bezeichnete Bennett laut «Haaretz» die Bildung einer solchen Regierung, in der Netanyahu als Premierminister wahrscheinlich ersetzt werden würde, als «nicht leicht». Gleichzeitig betonte der Yamina-Chef jedoch, er führe bereits «zahllose» Treffen mit anderen Politikern, einschließlich aus Netanyahus eigener Likud-Partei.

Der derzeitige Regierungschef hat für die Koalitionsbildung Zeit bis zum 4. Mai, doch Präsident Rivlin hat die Kompetenz, ihm eine weitere, letzte Frist von zwei Wochen einzuräumen. Sollte auch diese Frist ergebnislos verstreichen, kann der Päsident einen weiteren Abgeordneten mit der Regierungsbildung beauftragen. Er kann aber auch die Abgeordneten einladen, sich auf einen Kandidaten zu einigen, der Aussicht hat, die Unterstützung von mindestens 61 der 120 Parlamentarier zu gewinnen.

Die Situation ist verwirrend, aber nicht ganz aussichstlos. Außer Netanyahu befürwortet kaum jemand in der Knesset das Abhalten einer weiteren, fünften Wahlrunde, und Netanyahus Motive dafür sind weniger von politischen Überlegungen begründet als vielmehr von persönlichen Interessen im Zusammenhang mit dem gegen den jetzigen Regierungschef laufenden Bestechungsprozess. Netanyahus Freunde im Likud wiederum machen geltend, dass Bennetts Idee zu einer «linksgericheteten Regierung mit einem winzigen rechtsgerichteten Feigenblatt» führen würde. Das Hauptargument der Rechten gegen Bennett lautet, dass er so verbissen um das Amt des Regierungschefs kämpft, dass er sogar bereit wäre, einer linksgerichteten Regierung vorzustehen. – Zweifelsohne hat die Demokratie ihre wertvollen Vorteile, doch bei der Verfolgung der Vorgänge in Israel stellt der Beobachter sich allmählich die Frage, ob ein Zwei-Parteiensystem vom Vorbild der USA nicht doch seine Vorteile haben kann...

Foto:
Naftali Bennett
©tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 26. 4. 2021