Er lässt Kardinal Marx wahrscheinlich im Amt
Conrad Taler
Bremen (Weltexpresso) – Was der Erzbischof von München und Freising mit seiner Kritik an der römisch-katholischen Kirche losgetreten hat ist, ist viel zu gefährlich für das vom Papst geleitete Imperium, als dass er ihn entlassen könnte. Er wird versuchen, ihn an sich zu binden und aus dem von Marx zitierten „toten Punkt“ ein Lebenselixier zu machen.
Klaus Philipp Mertens hat an dieser Stelle das Lügengebäude, in dem sich Kirche und Staat seit Jahrhunderten wohl fühlen, treffend beschrieben. Das Faszinierende an diesem Gebäude ist nicht der Prunk, vor dem Arme und Reiche in die Knie gehen, sondern die Strahlkraft des Glaubens, die Menschen eher in den Tod gehen lässt, als dass sie dem Zweifel auch nur der geringsten Raum ließen. Dabei spielte es keine Rolle, ob sie, wie Paul Schneider das Priestergewand trugen oder nicht.
Tausende haben, den Tod am Galgen oder unter dem Fallbeil vor Augen, Trost in dem Glauben an ein besseres Jenseits gefunden. Umso schändlicher, dass unter diesem schützenden Mantel über Jahrhunderte hinweg die schlimmsten Verbrechen begangen werden konnten, bis hin zu dem schäbigen „Recht der ersten Nacht“, das dem jeweiligen Dienstherrn erlaubte, an Sttelle des Bräutigams die Ehe zu vollziehen. Am nächsten Tag betete der Gottlose auf den Stufen zum Altar sechs Vaterunser herunter, die ihm der Pfarrer und Mitwisser zur Buße auferlegt hatte.
Wie lange solche und ähnliche Bräuche in der bayerischen Provinz an der Tagesordnung waren, weiß kaum einer besser, als der Erzbischof von München und Freising. Ein Gutachten für diese Diözese ist nach Angaben der Süddeutschen Zeitung vom 5./6. Juni in Arbeit. Es betrifft den Zeitraum von 1945 bis 2019. Die Studie werde mir Spannung erwartet, schreibt das Blatt, weil im betreffenden Zeitraum auch der heutige emeritierte Papst Benedikt XVI. als Erzbischof in München und Freising Verantwortung getragen habe.
In seinem Rücktrittsgesuch kritisiert Marx, manche in der Kirche wollten die Mitschuld und Mitverantwortung nicht wahrhaben und stünden deshalb „jedem Reform- und Erneuerungsdialog“ ablehnend gegenüber. Er selbst sieht sich auch mit Vorwürfen aus seiner Zeit als Bischof in Trier konfrontiert. Eine Studie, die ihm Fehlleistungen vorhält,, existiert aber nicht. Wegen der Vorwürfe gegen ihn hatte der Geistliche im April auf eine Ehrung durch das Bundesverdienstkreuz verzichtet.
Unter diesen Umständen wäre es von besonderer Brisanz, wenn der Papst Reinhard Marx in seinem Kirchenamt beließe. Kritiker könnten darin einen Versuch sehen, dem Großreinemachen aus dem Weg gehen zu wollen. Andererseits könnte das Oberhaupt der katholischen Kirche argumentieren, dass dieses Großreinemachen nur m i t Reinhard Marx gelingen kann und nicht ohne ihn oder gar gegen ihn. Jedenfalls dürfte im Vatikan so manche Alarmglocke läuten. Auch im abgeschiedenen Kloster Mater Ecclesia, wohin sich Benedikt für den Rest seines Lebens zurückgezogen hat.
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