tagesscjaui.deZum Ausgang  der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt II

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) - Nicht nur in der Seefahrt, sondern auch in der Politik bewahrheitet sich, dass  kleine Lichter weit leuchten können, wenn man sie nur hoch genug stellt. Dass Reiner Haseloff ein Strahlemann ist, der alle anderen blass aussehen lässt, hat wohl noch niemand behauptet. Trotzdem gewann er die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt mit Bravour.

Ist das Wahlvolk also doch nicht so dumm, wie manche behaupten, oder anders rum gefragt, ist es im Grunde viel politischer, als manche denken?  Von den 61,6 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland gehören nur zwei Prozent einer politischen Partei an. Wirkliches Interesse an der Politik sieht anders aus. Von diesen zwei Prozent nimmt erfahrungsgemäß nur ein Bruchteil am so genannten Parteileben teil, der Rest begnügt sich mit der Mitläufer-Eigenschaft. Wie mag es da mit dem politischen Interesse der anderen aussehen, die das Zeitgeschehen an sich vorbeirauschen lassen und  alle vier Jahre an der Wahlurne Entscheidungen fällen, von denen andere wenig halten?

Wer längere Zeit in einer Gesellschaft gelebt hat, in der der Mangel das Tagesgeschehen bestimmte, der entwickelt ein feines Gespür dafür, wo es etwas zu holen gibt.  Eine gewisse Nähe zu denen, die an den Futtertrögen sitzen, kann da nicht schaden. Das gilt auch dann, wenn Schmalhans nicht Küchenmeister ist  Davon hat Ministerpräsident Haseloff profitiert .Er kann sich jetzt aussuchen, mit wem er die nächsten Jahre regieren möchte. Dass sich neben seiner CDU deren abgebrochener rechter Arm als zweitstärkste Kraft behaupten konnte und als AfD in den Revieren der bürgerlichen Hauptpartei zu wildern begann, spiegelt die Kräfteverhältnisse im vereinten Deutschland wieder.

Rechnet man die mutierten Grünen mit 5,9 Prozent  und die wieder in den Landtag gelangten Freien Demokraten  mit 6,4 Prozent als bürgerliche Ableger hinzu, bleibt der Linken angesichts der Sitzverteilung kaum noch Luft zum Atmen. Als selbständige Kraft ist sie chancenlos. Die SPD ist von 34,3 Prozent bei der letzten Landtagswahl in der Weimarer Republik  auf jetzt 8,1 Prozent abgerutscht.  Das war im Vergleich zur Wahl vor vier Jahren noch mal ein Verlust von zwei Prozentpunkten. Der Linkspartei ging es nicht besser. Sie verlor ein Drittel ihrer Wählerschaft und musste sich mit 11 Prozent zufrieden geben. Ihren Ruf als Partei der kleinen Leute hat ihr die AfD mit Erfolg streitig gemacht.

Mit 20,8 Prozent der Wählerstimmen blieb die Alternative für Deutschland zwar unangefochten zweitstärkste Kraft im Landes-Sachsen-Anhalt, konnte aber ein Minus von 3,5 Prozentpunkten nicht vermeiden. Dabei hatten die ganz Rechten in Anhalt ehemals eine stattliche Anhängerschaft. Hitlers NSDAP kam dort  im April 1932 auf einen Stimmenanteil von 46,1 Prozent.

Wie sich die letzte Landtagswahl vor der Bundestagswahl im September auswirken wird, darüber darf in den folgenden Wochen wohlfeil gestritten werden. Maßgebend dürfte sein, in welcher Weise die Rechtsausleger Friedrich Merz und Hans-Georg Maaßen das Erscheinungsbild der CDU zu beeinflussen vermögen. Für die Grünen, die diesmal mit der CDU/CSU als stärkste Kraft konkurrieren, wird es darauf ankommen, ob sie dem Rechtsdrall in der Außenpolitik Einhalt gebietet und innenpolitisch  das Fahrwasser eines Otto Schily meidet. Annalena Baerbock als Leuchtturm und Wegweiser dürfte für einen Wechsel kaum reichen. Obwohl – man denke nur an Reiner Haseloff.

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