Ehepaar Feldmann in besseren Tagen 1Die Redakteure Volker Siefert und Daniel Gräber contra OB Peter Feldmann

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann ist ein dankbares Ziel für Verschwörungsideologien.

Weil seine Ehefrau für ihre Tätigkeit als Leiterin einer Kindertagesstätte der AWO deutlich über Tarif bezahlt wurde, werfen die hr-Redakteure Volker Siefert und Daniel Gräber dem Oberbürgermeister seit zwei Jahren vor, diese Honorierung durch seine Verbindungen zu der Wohlfahrtsorganisation begünstigt zu haben. Feldmann war vor seiner Wahl einige Jahre leitender Mitarbeiter der AWO. Zwar dürfte die bessere Gehaltseinstufung nicht der Grund für die Zahlungsunfähigkeit des Frankfurter Kreisverbands gewesen sein. Denn hier ging es um ganz andere Vorgänge und Beträge. Beispielsweise um Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung von Flüchtlingsunterkünften oder um die finanzielle Selbstbedienung des Frankfurter Geschäftsführers Jürgen Richter und seiner Ehefrau Hannelore, Geschäftsführerin der AWO Wiesbaden. Aber wer etwas konstruieren will, findet zugegebenermaßen hier viele Steilvorlagen.

Peter Feldmann hat sich gegen die erhobenen Vorwürfe nicht optimal zur Wehr gesetzt; er hat die Verteidigung sogar einem Beraterstab überlassen, dem offensichtlich das Gespür für politische Zusammenhänge und sprachliche Übermittlung fehlt. Das hat das Rechercheteam Siefarth und Gräber anscheinend ermuntert, weitere vermeintliche Belege für seine Vermutungen zu veröffentlichen.

Am 20. August schrieb Volker Siefert in „hessenschau.de“:

„Von Anfang November 2014 bis Ende März 2015 war Zübeyde Feldmann Praktikantin in der Kita Adlerwerke der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Frankfurt. Entlohnt wurde so ein Praktikum üblicherweise nicht. Und offiziell sollte es auch in diesem Fall so laufen, wie aus Unterlagen hervorgeht, die dem hr vorliegen. Tatsächlich war das fünfmonatige Praktikum dann doch vergleichsweise lukrativ.

Denn die AWO Wiesbaden gab dieser besonderen Praktikantin einen Teilzeitvertrag. Er legte eine Bezahlung von rund 2.400 Euro im Monat fest, inklusive Lohnnebenkosten.“

Zu dem genannten Zeitpunkt hieß die Dame noch Zübeyde Temizel, erst nach der Eheschließung 2016 nahm sie den Namen Ihres Ehemanns an. Davor praktizierte das Paar einige Jahre das, was früher als „wilde Ehe“ bezeichnet wurde. Ob der 2012 ins Amt des Frankfurter Oberbürgermeister gewählte Peter Feldmann Einfluss auf die Honorierung seiner Partnerin genommen hat (im Sinn von Vorteilsgewährung und indirekter Vorteilsannahme), lässt sich bis heute nicht nachweisen. Die weisungsgebundene Staatsanwaltschaft (dem CDU-geführten Justizministerium untergeordnet) hat bislang nichts Beweiskräftiges vorlegen können.
Frau Temizel könnte das ohnehin nicht zum Vorwurf gemacht werden, denn es herrscht Vertragsfreiheit. Wer für sich ein übertarifliches Gehalt aushandelt, hält sich an die Regeln einer Wirtschaftsordnung, die als „freie Marktwirtschaft“ propagiert wird. Ob diese Ordnung gerecht ist, steht auf einem anderen Blatt.

Doch weder ein fester Lebenspartner noch ein Ehemann dürfen sich von Rechts wegen in die persönliche Sphäre der Partnerin oder Ehefrau einmischen. Die Zeiten, in denen Ehemänner die Arbeitsverträge ihrer Ehefrauen mit unterschreiben mussten, sind vorbei. Der hr hat diese Rechtslage noch nicht einmal in einem Nebensatz erwähnt.

hr-Redakteur Volker Siefert erweckte in den Interviews, welche die Redaktion der Hessenschau mit ihm in dieser Sache führten, den Eindruck eines zwar konservativen, aber die demokratischen Regeln beachtenden Journalisten. An seinen investigativen Recherchen war jedoch noch ein weiterer Kollege beteiligt. Nämlich Daniel Gräber, der nicht nur für den hr schreibt, sondern auch für das konservative Magazin CICERO.

Dieser Zeitschrift wird nicht erst seit der sogenannten Flüchtlingskrise vorgeworfen, nicht nur konservativ zu sein, sondern sogar deutlich rechts zu stehen. „Invasion der Machtlosen aus fernen Kulturen“ oder „Staatsdoktrin Willkommenskultur“ oder „Umstrukturierung der Bevölkerung Deutschlands“ lauteten dessen Schlagzeilen im Herbst 2015. Den objektiv berichtenden Medien wurde vorgeworfen, „linksideologische Willkommens-Medien“ zu sein. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wurde als ein „sich selbst gleichschaltender“ diffamiert. Der Leiter des CICERO-Kulturressorts Alexander Kissler musste sich nachsagen lassen, er schreibe „oft an der Grenze zum Rechtspopulismus“ (taz) und verteidige Sarrazin und dessen krude Thesen. Nach Ansicht der Zeitschrift des „Deutschen Journalisten-Verbands“ verpacke CICERO „AfD-Gedankengut so elegant [...], dass es beim ersten Hinhören gutbürgerlich klingt“ (April 2017). Und der streitbare Chefredakteur der „Blätter für deutsche und internationale Politik“, Albrecht von Lucke, schrieb bereits im Oktober-Heft 2007 über CICERO: „Hauptsache eine steile These, am liebsten »totally politically incorrect«; die dazugehörige Beglaubigung findet sich dann schon von selbst.“
Die Vorwürfe gegen Peter Feldmann scheinen zumindest teilweise auf diesem dubiosen Terrain entstanden zu sein. Das wäre möglicherweise auch eine Verschwörungsphantasie, aber dann stünde die eine gegen die andere.

Ich möchte unterstreichen, dass ich Peter Feldmann nicht persönlich kenne, dass ich kein Mitglied der SPD bin und dass ich keiner anderen Partei angehöre. Kontakte zu Zübeyde Temizel-Feldmann hat es ebenfalls nie gegeben. Dem Oberbürgermeister werfe ich sogar vor, sich intellektuell nicht weiterentwickelt und sich mit Beratern umgeben zu haben, die mehr als das gewisse Geschmäckle verbreiten.

Allein die Behandlung des Themas „Theaterdoppelanlage“ zeigt die Unfähigkeit des bisherigen und des künftigen Magistrats unter Führung des Oberbürgermeisters, möglicherweise auch dessen Anfälligkeit für Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme. Denn stets sickern Informationen durch, denen zufolge die Baubestandsaufnahme des zur Ruine erklärten Theaters nicht kongruent sei zu den objektiv notwendigen Maßnahmen einer umfassenden Sanierung, wie sie die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) beschreibt. Fazit: Eine Sanierung ist unerwünscht, ein Neubau keineswegs notwendig, vielmehr drängt lediglich die Immobilienwirtschaft darauf, weil sie die Liegenschaft am Willy-Brandt-Platz lukrativ vermarkten möchte und übt Einfluss auf Stadtverordnetenversammlung und Magistrat aus.

Dennoch stehen auch Peter Feldmann sämtliche Rechte eines Staatsbürgers zu. Zu diesen zählt, dass man ohne Beweise weder journalistisch noch juristisch abgeurteilt werden darf.
 
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Das Ehepaar Feldmann in besseren Tagen
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