sarahgrpneFestgefahrene Denkweisen verändern sich – Rückenwind für neue Positionen

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) – Seit die CDU bei der Bundestagswahl ihre Dauerfahrkarte  als Regierungspartei abgeben musste, ist das Knistern im Gebälk der vereinigten Bundesrepublik Deutschland nicht zu überhören. Ursache ist  einerseits der Niedergang der Christlich-demokratischen Union, der sich am Namen ihres Generalsekretärs Paul Ziemiak ablesen lässt, andererseits die Verjüngung der  Parteien, die künftig miteinander regieren wollen.

49 der 206 neu gewählten Abgeordneten der SPD sind im Jungsozialisten-Alter, also fast ein Viertel der gesamten Fraktion. Mehr als die Hälfte gehört nach Medienberichten der einflussreichen  Parlamentarischen Linken an, deren Sprecher  Matthias Miersch im Scholz-Lager als „konstruktiver Linker“ gilt. Auch bei den Grünen und den Freien Demokraten  hat ein Verjüngungsprozess stattgefunden. 46 Prozent der Erstwähler haben bei der Bundestagswahl FDP oder Grüne gewählt. Bei den Unionsparteien gibt es nur noch 15 Abgeordnete, die Mitglied der Jungen Union sind.

Was für einen Kleingeist sich die CDU mit Paul Ziemiak als Generalsekretär leistet, zeigt ein Blick auf die Liste seiner Vorgänger mit politischen Schwergewichten wie  Kurt Biedenkopf und Heiner Geißler. Ziemiak hat die Erste juristische Staatsprüfung in zwei Anläufen nicht geschafft und suchte sein Auskommen schließlich in der Politik. Er diente sich als Funktionär der Jungen Union und der CDU an, wo er nach dem Vorbild des „brutalst möglichen Aufklärers“ Roland Koch das große Wort führte und nach der verlorenen Bundestagswahl jetzt eine „brutal offene“ Fehleranalyse verlangte.

Wie stark die CDU an Ansehen in der Öffentlichkeit verloren hat, zeigt die Selbstverständlichkeit, mit der ihr die  sozialdemokratische Ministerpräsidentin Manuela Schwesig den Rücken kehrt. Sie will künftig in Mecklenburg-Vorpommern mit der Linkspartei regieren, weil sie – so ihre Worte - für eine stabile Regierung einen verlässlichen Partner brauche. Wann hat es das je gegeben, dass eine SPD-Politikerin der Linkspartei den Vorzug vor der CDU gibt, und dann noch mit dieser Begründung? Da muss politisch etwas in Bewegung gekommen sein, das  die Grundlagen künftiger Orientierung berührt und mit Verlässlichkeit allein nicht begründet werden kann.

Grundlage des Zusammengehens mit der Linken sei gewesen, sagte Schwesig, „mit wem wir die meisten Schnittmengen haben“.  Die  SPD sehe in der Linkspartei „eine Partnerin, mit der wir unser Land gemeinsam voranbringen können. Uns geht es um einen Aufbruch  2030, mit mehr Wirtschaft, besseren Löhnen, sozialer Gerechtigkeit und ökologischer Verantwortung“. Einen Sinneswandel hat es auch bei der Berliner SPD gegeben. Dort wollen die Sozialdemokraten nach den Worten ihrer Vorsitzenden Franziska Giffey nicht mehr mit den Grünen und der FDP verhandeln, sondern mit den Grünen und der Linken. Man sei noch nicht am Ende der Sondierungen, aber die Entscheidung sei ein deutliches Signal. Bei drei Partnern  müsse es auch bei allen passen.. Ein „Weiter so“ werde es nicht geben.

Neue Töne sind auch aus den Reihen den Grünen Jugend zu vernehmen. Deren Bundessprecherin Sarah-Lee Heinrich bezeichnete sich nach Darstellung des Süddeutschen Zeitung vom 13. Oktober als „Teil einer antifaschistischen Jugendorganisation“. Die junge Frau mit afrikanischen Wurzeln bekam kürzlich bei der Wahl zur Bundessprecherin  93 Prozent der Stimmen. Mit Blick auf den  Shitstorm der Rechten gegen sie, meinte sie frohgemut: „Haben wohl Bammel vor einer schwarzen, linken“ Frau.“  Den haben  angesichts des Knisterns im Gebälk der  Bundesrepublik vermutlich auch andere.

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Sarah-Lee Heinrich
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