Bildschirmfoto 2021 10 18 um 04.02.20Damaskus beschuldigt Israel, einen syrischen ex-Häftling liquidiert zu haben

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - In den 1980er Jahren wurde der Syrer Madhat al-Salah von Israel für 12 Jahre hinter Schloss und Riegel gesteckt. Er soll laut israelischen Presseberichten versucht haben, einen IDF-Soldaten zu kidnappen. Der Mann, der es nach seiner Freilassung und Rückkehr nach Syrien immerhin zum syrischen Parlamentsabgeordneten für die Region Golan gebracht hatte, soll in die Bemühungen verwickelt gewesen sein, auf dem Golan einen iranischen Stützpunkt zu errichten.

Gewohnt hatte er in der Ortschaft Ain-el-Tineh auf dem Golan, knapp hundert Meter von der Waffenstillstandslinie, beziehungsweise der Grenze mit Syrien entfernt, wie es gemäss offiziellem israelischem Wortlaut heisst. Liquidiert hatte ihn laut syrischer Auslegung ein Scharfschütze von der israelischen Seite her. Israels Akt, wenn es sich effektiv um einen solchen gehandelt hat, war kein isoliertes Ereignis sondern Bestandteil eines immer offener ausgetragenen verdeckten Kriegs zwischen Jerusalem und Damaskus.

Im Verlaufe dieser Konfrontation sollen israelische Spezialisten eine ganze Reihe von syrischen Personen auf dem Gewissen haben, für die die Stärkung der iranischen Position unweit des israelischen kotrollierten Gebiets ein oberstes Gebot der Stunde zu sein scheint. Auch wenn es laut dieser Interpretation den Israeli zu gelingen scheint, diesen Aktivitäten auf der syrischen Seite durch regelmässige Liquidationen einen vorläufigen Riegel zu schieben, dürfte es Jerusalem einige Sorgen bereiten, dass es der Gegenseite geglückt ist, die Hizbollahmiliz im Libanon «bis an die Zähne zu bewaffnen», wie es das Massenblatt «Yediot Achronot» am Sonntag schrieb.

Dabei dürfte die Eliminierung Madhat al-Salahs letzte Woche nur ein Tropfen auf den heissen Stein bedeuten, doch die Gefahr nimmt zu, dass der verdeckte Krieg zwischen Damaskus und Jerusalem einen immer offeneren Charakter annehmen wird. Der Kommentator Yossi Jehoshua meinte dazu in «Yediot»: «Die offensiven Aktivitäten der IDF in Syrien, zu denen auch die Liquidation gehört, zeigten ausgezeichnete Resultate. Dessen ungeachtet stellt die Auseinandersetzung mit den Präzisionsraketen der Hizbollah aber eine grosse Herausforderung für den israelischen Geheimdienst dar.» Die Fortsetzung, wahrscheinlich verbunden mit einer schleichenden Eskalation der Konfrontation auf dem Golan scheint also so gut wie sicher zu sein, und das Risiko wächst, dass sie ausser Kontrolle gerät. An Gesprächsstoff wird es Vladimir Putin und Naftali Bennett wahrlich nicht mangeln, wenn die beiden sich Ende Woche in Sochi am Schwarzen Meer treffen.

Foto:
Madhat al-Salah wurde von israelischen Scharfschützen erschossen
©tachles