... oder was nicht fehlen darf!

Klaus Jürgen Schmidt

Norddeutschland (Weltexpresso) – Die Bundesregierung lehnt Waffenlieferungen an die Ukraine ab – auch mit Verweis auf die Geschichte Deutschlands. Der künftige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, spricht sich dagegen für deutsche Waffenlieferungen aus. Das hat er nicht bloß in Zeitungsinterviews gesagt, das schob die „tagesschau“ auch schon mal an die Spitze ihrer Website, mit ausführlicher Zitierung:
 


>„Einerseits sei Deutschland aufgrund der eigenen Geschichte bei Waffenlieferungen in Spannungsgebiete sehr zurückhaltend. "Gleichzeitig exportieren wir ebenfalls mit dem Verweis auf unsere Geschichte modernste U-Boote nach Israel. Die Frage wird jetzt zu Recht gestellt, ob nicht Deutschland aus dem gleichen Grund auch Waffen in die Ukraine liefern sollte." Er erinnert an die Ermordung von über 30.000 jüdischen Ukrainern 1941 in Babyn Jar durch die Wehrmacht und andere deutsche Sicherheitskräfte.“<

Das Argument der Bundesregierung für die Ablehnung von Waffenlieferungen, also der Verweis auf die Geschichte Deutschlands, wird von Heusgen gekontert mit der Erinnerung daran, dass ja 1941 über 30.000 jüdische Ukrainer durch Wehrmacht und andere deutsche Sicherheitskräfte ermordet worden seien.
Wenn also U-Boote jetzt für Israel, dann jetzt auch Waffen für die Ukraine?

Der Mann war ab 2005 engster Merkel-Berater in außen- und sicherheitspolitischen Fragen. Von 2017 bis zum Juni 2021 war er Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen. Im April 2019 und im Juli 2020 leitete er turnusgemäß als Präsident die Sitzungen des UN-Sicherheitsrats.
Die Münchner Sicherheitskonferenz, die er künftig leiten wird, hat sich über die vergangenen fünf Jahrzehnte zum zentralen globalen Forum für die Debatte sicherheitspolitischer Themen entwickelt.

Könnte man sagen, der Beamte und Diplomat Christoph Heusgen lebt und arbeitet in einer Blase? Dieses Wort höre ich jetzt dauernd von Korrespondenten aus China, die damit das hermetisch abgeriegelte Olympia-Zentrum in Peking meinen.

Was hat den Christoph Heusgen für eine solche Blase geprägt? Er wuchs in Neuss auf. Seine Eltern führten dort eine Apotheke. Der Sohn hat viel studiert, an der Universität St. Gallen, an der Georgia Southern University in Statesboro und an der Sorbonne in Paris. 1980 promovierte er in St. Gallen zum Thema „Ludwig Erhards Lehre von der sozialen Marktwirtschaft. Ursprünge, Kerngehalt, Wandlungen“.

Ursprünge, Kerngehalt, Wandlungen – das sind gute Stichworte für die Frage, was anders war bei Kay-Achim Heino Schönbach, 10 Jahre jünger als Christoph Heusgen, aber inzwischen zurückgetreten als Vizeadmiral und Inspekteur der Bundesmarine. Und was ließ die „tagessschau“ übert diese Rücktritt wissen?
>Schönbach begründete seine Entscheidung damit, Schaden abwenden zu wollen: "Meine in Indien gemachten unbedachten Äußerungen zu Sicherheits- und Militärpolitik lasten zunehmend auf meinem Amt. Um weiteren Schaden von der Deutschen Marine, der Bundeswehr, vor allem aber der Bundesrepublik Deutschland zu nehmen, halte ich diesen Schritt für geboten."<

Und gleich danach ein 7-Minuten-Interview mit Harald Kujat, Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr, der u.a. sagt: "Es bleibt die Frage, ob Schönbach ein Dienstvergehen begangen hat."
Und weiter bei der „tagesschau“:
>Das ukrainische Außenministerium bestellte wegen der Angelegenheit die deutsche Botschafterin in Kiew, Anka Feldhusen, ein. Bei dem Gespräch habe man deutlich gemacht, dass die Kommentare des Marine-Chefs inakzeptabel seien, teilte das ukrainische Außenministerium mit. In einem Schreiben betonte das Ministerium die "Unannehmbarkeit" der Äußerungen.Nach der Rücktrittankündigung Schönbachs erklärte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, dieser Schritt reiche nicht aus: "Wir begrüßen zwar, dass Herr Schönbach seinen Rücktritt angeboten hat", sagte Melnyk der "Welt". Der Eklat hinterlasse aber "einen Scherbenhaufen" und stelle die internationale Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit Deutschlands "massiv in Frage". Zuvor hatte der ukrainische Außenminister, Dmytro Kuleba, bereits Unmut darüber geäußert, dass die Bundesregierung der Ukraine keine Waffen liefern will.<

Und worum ging es bei all der Aufregung? Noch einmal die Zusammenfassung der „tagesschau“:

>Schönbach hatte bei einer Veranstaltung in Indien in einem im Internet veröffentlichten Video unter anderem gesagt: "Die Halbinsel Krim ist weg, sie wird nicht zurückkommen." Den von westlichen Staaten befürchteten Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine bezeichnete er als "Nonsens". Was Russlands Präsident Wladimir Putin wirklich wolle, sei "Respekt auf Augenhöhe", sagte der Vizeadmiral. "Es ist leicht, ihm den Respekt zu geben, den er will – und den er wahrscheinlich auch verdient."<

Ich traue mir ein wenig zu, militärisches Denken kennengelernt zu haben, u.a. als Reserve-Offiziersanwärter beim Bund, Mitte der Sechziger Jahre, und als Reporter im Vietnamkrieg, Anfang der Siebziger Jahre. Dort erfuhr ich aus Erster Hand, welch wichtige Güter Schiffe der „American President Line“ für die GI's nach Vietnam brachten: container-weise Klopapier!

Das fiel mir ein zu zwei Männern, von denen der eine nicht den Mumm hat zu dem zu stehen, was er als militärischer Fachmann zu beurteilen vermag, und von denen der andere nicht den Mumm hat, eine Lehre zu ziehen aus: „Ursprüngen, Kerngehalt und Wandlungen“ militärischer Konflikte.

In den vergangenen Tage waren an dieser Stelle von mir Beiträge zu „Autonomie“ und „Zivilcourage“ zu lesen, gestern über ein Lied von Robin Read, dessen Schluss hier noch einmal nachzulesen ist (wer möchte, gerne auch noch einmal nachzuhören mit einem Klick unten auf den RadioPodcast):

Vor Angst gebannt,
schon wieder weggerannt,
den Kopf weggedreht,
was jeder gut versteht.

Bist du der Held,
der sich vor die anderen stellt,
der die Angst niederringt,
und sich selbst bezwingt?

Es braucht keinen Held,
der sich vor die anderen stellt,
der die Angst niederringt
und sich selbst bezwingt,
sich selbst bezwingt!