putinkranzOffener Brief eines Antifaschisten an Wladimir Putin

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) - Herr Präsident, diesen Offenen Brief schreibt Ihnen der Sohn eines deutschen Antifaschisten, der gegen seinen Willen für Hitler in den Krieg ziehen musste und während der Kämpfe um Berlin  in sowjetische Gefangenschaft  geriet. Inzwischen bin ich 95 Jahre alt geworden und habe mein ganzes Leben damit zugebracht, die Menschen vor dem Ungeist des Nazismus und einem neuen Weltenbrand zu warnen. Dabei stand ich immer an der Seite Russlands. Und jetzt fallen Sie mir in den Rücken.

Ihr Angriff auf die Ukraine macht alles zunichte, was im Laufe von Jahrzehnten mühsam erstritten worden ist, zum Beispiel die Erkenntnis, dass militärische Gewalt keines der Probleme aus der Welt schafft, die sich aus der Kluft zwischen Arm und Reich ergeben.  Hundert Milliarden Euro sollen in den nächsten Jahrzehnten allein in Deutschland zur Stärkung der Streitkräfte aufgewendet werden, weil Ihr Krieg gegen die Ukraine allen Angst macht. Sie wollen die Ukraine entmilitarisieren und verursachen gleichzeitig ein noch nie da gewesenes Wettrüsten.

Sie wollen die Ukraine entnazifizieren und sind isoliert wie nie zuvor. Nur vier der 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen  unterstützten bei der Abstimmung in der Vollversammlung ihre so genannten „Spezialoperationen“ gegen die Ukraine, 141 stimmten dagegen  und 35 Staaten enthielten sich.

Als die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges 1945 in Potsdam beschlossen, Deutschland zu demilitarisieren und zu denazifizieren, konnten sie auf die bedingungslose Kapitulation Deutschlands verweisen. Sie, Herr Puttin wähnen sich in Ihrem Cäsarenwahn anscheinend in einer ähnlichen Position, dabei wollen Sie – folgt man ihrer Rede von 24. Februar, - nicht einmal die ganze Ukraine besetzten. Der gleichen Selbstüberhebung entspringt ihre Ankündigung, diejenigen vor Gericht zu bringen, die „zahlreiche blutige Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung, einschließlich russischer Bürger“, begangen hätten.  Auch da meinen sie, es den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges und deren Forderung nach Aburteilung der Hauptkriegsverbrecher gleich tun zu müssen.

Nicht alles, was in den vergangenen Jahren in der Ukraine passiert ist, entspricht demokratischen Spielregeln.  Ihre Behauptung jedoch, Herr Putin, Russland könne sich „nicht sicher fühlen, sich nicht entwickeln und nicht existieren, wenn es ständig von der Ukraine bedroht“ werde, richtet sich selbst. Da fühlt sich jemand zu Unrecht verfolgt, dem jede Rolle auf der Bühne des großen Welttheaters zugetraut werden kann, nur nicht die der Unschuld vom Lande.

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