tagesscahu.deukraineWas Henry Kissinger der Ukraine vor sieben Jahren empfahl

Conrad Taler

Bremen (Weltexpresso) - Eines nicht allzu fernen Tages wird die  Welt vor der Frage stehen, welchen Platz die Ukraine zwischen Ost und West künftig einnehmen soll. Dass sie dem russischen Einflussbereich zugeschlagen wird, ist ebenso unvorstellbar, wie ihre dauernde Zugehörigkeit zum Westen. Normalerweise sollte darüber die Bevölkerung der Ukraine entscheiden, aber diese Lösung sieht das Drehbuch der Welt von heute nicht vor.

„Wenn die Ukraine überleben und gedeihen soll, darf sie nicht der Vorposten der einen Seite gegen die andere sein – sie sollte als Brücke zwischen beiden Seiten fungieren.“ Diese Empfehlung gab der ehemalige amerikanische Außenminister Henry Kissinger am 5. März 2014 in der „Washington Post“, also fast auf den Tag genau vor sieben Jahren. Den zu erwartenden Einwänden hielt er entgegen, der Test für die Politik sei, wie sie ende, nicht wie sie beginne. Ausgegraben hat die Ratschläge Kissingers zur Lösung des Ukraine-Problems  der Schweizer Journalist Urs. P. Gasche für das Internetportal InfoSperber.

Russland müsse akzeptieren, schrieb Henry Kissinger, dass der Versuch, der Ukraine in einen Satellitenstatus zu zwingen und damit die Grenzen Russlands erneut zu verschieben, Moskau dazu verdammen würde, seine Geschichte der sich  selbst erfüllenden Zyklen gegenseitigen Drucks mit Europa und den Vereinigten Staaten zu wiederholen. Der Westen müsse verstehen, dass die Ukraine für Russland niemals nur ein fremdes Land sein könne. Die Ukraine sei seit Jahrhunderten Teil Russlands, und die Geschichte der beiden Länder sei schon von vornherein miteinander verflochten gewesen.

Die Europäische Union müsse erkennen, fährt Kissinger fort, dass ihre bürokratische Schwerfälligkeit und die Unterordnung des strategischen Elements unter die Innenpolitik bei den Verhandlungen über die Beziehungen der Ukraine zu Europa dazu beigetragen haben, dass aus den Verhandlungen eine Krise wurde. Die Ukraine sei erst seit 23 Jahren unabhängig. Es überrasche nicht, dass ihre Führer die Kunst des Kompromisses nicht gelernt hätten, noch weniger die der historischen Perspektive. Die Wurzel des Problems liege in den Bemühungen der ukrainischen Politiker, widerspenstigen Teilen des Landes ihren Willen aufzuzwingen, erst von der einen, dann von der anderen Seite. Die US-Politik sollte eine Versöhnung anstreben, nicht die Vorherrschaft einer Fraktion.

Russland und der Westen und am allerwenigsten die verschiedenen Fraktionen in  der Ukraine haben nicht nach diesem Prinzip gehandelt. Jeder habe die Situation verschlimmert. Russland wäre nicht in der Lage, eine militärische Lösung durchzusetzen, ohne sich in einer Zeit zu isolieren, in der viele seiner Grenzen bereits prekär sind Für den Westen ist die Dämonisierung von Wladimir Putin keine Politik, sondern ein Alibi für das Fehlen einer Politik.

Den führenden Politikern aller Seiten  empfiehlt Kissinger, sich wieder auf die Prüfung von Ergebnissen zu konzentrieren, anstatt sich in Posen zu ergehen. Kluge ukrainische Führer würden sich für eine Politik der Versöhnung zwischen den verschiedenen Teilen ihres Landes entscheiden. Auf internationaler Ebene sollten sie eine Haltung einnehmen, die mit der Finnlands vergleichbar sei. Dieses Land lasse keinen Zweifel an seiner starken Unabhängigkeit aufkommen und arbeite in den meisten Bereichen mit dem Westen zusammen, vermeide aber sorgfältig eine institutionelle Feindschaft gegenüber  Russland.

Soweit die Empfehlungen Henry Kissingers zur künftigen Position der Ukraine im internationalen Kräftespiel. Auch Österreich könnte, ähnlich wie Finnland, ein Beispiel geben. Dazu später mehr.

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