Bildschirmfoto 2022 04 20 um 23.02.01Immer mehr russische Intellektuelle retten sich nach Israel

Redaktion tachles

Tel Aviv (Weltexpresso) - Nicht nur viele Menschen aus der Ukraine kommen in diesen Tagen und Wochen nach Israel, um sich vor dem Krieg in Sicherheit zu bringen, auch viele Russen sind inzwischen in Israel gelandet. In den letzten Wochen sind laut Angaben israelischer Behörden mehr als 12'000 Russen gekommen, unter ihnen viele Intellektuelle, Künstler, Journalisten und Hightech-Fachleute. Die meisten sind vor der Verfolgung im eigenen Land geflohen. Sie sind Dissidenten, Putin-Kritiker, oder sie haben auch einfach nur begriffen, dass für sie und ihre Denkweise keine Zukunft in ihrem Heimatland mehr existiert.

Etwa 90 Prozent dieser Neuankömmlinge haben ein Anrecht auf die israelische Staatsangehörigkeit, nach dem sogenannten Rückkehrgesetz. Man hört in diesen Tagen häufig den Begriff «Flugzeug der Philosophen», da sie alle natürlich mit dem Flieger gekommen sind. Der Terminus ist eine Anspielung auf «das Schiff der Philosophen», als auf Geheiß Lenins Intellektuelle, Ärzte und Schriftsteller 1922 aus der Sowjetunion vertrieben wurden.

Leo Trotzki sagte damals: «Wir habe diese Leute exiliert, weil es keinen Grund gab, sie zu exekutieren, aber auch keine Möglichkeit sie zu tolerieren.»

Diejenigen, die Russland nun nach Ausbruch des Ukraine-Krieges in Richtung Israel verlassen haben, fühlen, dass sie die Aktionen ihrer Regierung nicht mehr tolerieren können. Dass sie aber auch keine Chance mehr haben, gegen Putin und den Kreml zu protestieren, ohne ihr Leben dabei zu riskieren. Sie alle versuchen nun, in Israel ein neues Leben aufzubauen. Für den jüdischen Staat sind diese Menschen auf alle Fälle eine Bereicherung. Auch wenn viele von ihnen bislang nur auf Russisch agieren können, für die israelische Kulturszene werden sie eine Bereicherung sein. Wenn es ihnen gelingt, sich in ihrem neuen Zuhause einigermassen zurechtzufinden. Viele von ihnen sind froh, in Israel zu sein. Aber ihr Herz, ihre Gedanken sind – kein Wunder – immer noch in Russland. Zumindest aber sind sie erst einmal in Sicherheit.

Foto:
Ukrainische Flüchtlinge in einem Aufnahmezentrum in Nof Hagalil - auch russische Intellektuelle flüchten vermehrt nach Israel
©tachles

Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 20. April 2022