Jacques Ungar
Tel Aviv (Weltexpresso) - Gespürt hat man es schon seit Wochen, doch das Drama, das sich am Montag Nachmittag in Jerusalem hinter meist verschlossenen Türen abspielte, kam doch allgemein überraschend. Entscheidend war wohl, dass Regierungschef Bennett einsehen musste, dass er der Personen-Schwindsucht, von der seine Koalition zusehends betroffen wurde, nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen hatte. Den zahlenmässigen Ausschlag für das Werfen des Handtuchs durch Bennett gab am Montag Nachmittag wohl der rechtsextreme Abgeordnete Nir Orbach (Yamina).
Sein Entschluss, der am Montag ruchbar wurde, dass er als Mitglied der Koalition das Gesetz zur Auflösung der Knesset zu unterstützten gedenke, besiegelte das Schicksal von Naftali Bennetts Regierung nach nur knapp etwas mehr als einem Jahr. Pikant an der Sache ist neben den innenpolitischen und persönlichen Folgen die Tatsache, dass US-Präsident Joe Biden jetzt, wahrscheinlich am 23. Juli mitten in den verfrühten israelischen Wahlkampf landen wird – falls er die Reise nicht doch lieber verschieben möchte.
Vielleicht zieht er es aber im Gegenteil vor, aus direkter Nähe mitzuerleben, wie im Nahen Osten, und erst noch beim engsten Alliierten Tages-Politik gemacht wird, und zwar eine Politik, die auch die Nahost-Politik Washingtons beeinflussen dürfte.
Die wenigsten Dinge in Israel für die kommenden Monate sind bereits klar. Das betrifft etwa den Wahltermin, entweder schon am 20. September, wahrscheinlicher aber erst am 25. Oktober oder sogar «erst» im November. Ebenso klar dürfte auch sein, dass Oppositionsführer und Likudchef Binyamin Netanyahu alles daran setzen wird, um möglichst mit Fanfaren an der Spitze des – so hofft er zumindest – siegreichen Likuds trotz des gegen ihn laufenden Prozesses an das Amt zurückkehren wird, das er bis vor kurzem noch seit Jahren geführt hatte: Das des israelischen Premierministers. Alles vorausgesetzt, dass er dieses Mal mehr Glück hat als das letzte Mal bei den auf die Wahlen folgenden Koalitionsverhandlungen.
Laut dem jetzt gültigen Koalitionsvertrag, der in wenigen Monaten schon dem Altpapier anvertraut werden dürfte, ist auch sicher, dass der jetzige Außenminister Yair Lapid, Unvorhergesehenes vorbehalten, der Regierungschef einer israelischen Übergangsregierung sein wird.
Der Rest ist Spekulation und höhere Gewalt, sowie die erneute Einsicht, dass in Israel wohl auch auf absehbare Zeit nur diejenigen Politiker und Parteien Chance auf einflussreiche Jobs haben werden, die den Flair besitzen, um ein Regierungsschiff durch die stürmischen Wogen des Nahost-Alltags zu lenken, die das Flair haben für kluge und risikofreudige Politik in nicht nur freundlich gestimmter Umgebung. Daneben braucht ein Regierungschef in Jerusalem auch das nötige Quentchen an Verrücktheit.
Foto:
Bennett und Lapid bei ihrer Ankündigung
©tachles
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 20. Juni 2022
Die wenigsten Dinge in Israel für die kommenden Monate sind bereits klar. Das betrifft etwa den Wahltermin, entweder schon am 20. September, wahrscheinlicher aber erst am 25. Oktober oder sogar «erst» im November. Ebenso klar dürfte auch sein, dass Oppositionsführer und Likudchef Binyamin Netanyahu alles daran setzen wird, um möglichst mit Fanfaren an der Spitze des – so hofft er zumindest – siegreichen Likuds trotz des gegen ihn laufenden Prozesses an das Amt zurückkehren wird, das er bis vor kurzem noch seit Jahren geführt hatte: Das des israelischen Premierministers. Alles vorausgesetzt, dass er dieses Mal mehr Glück hat als das letzte Mal bei den auf die Wahlen folgenden Koalitionsverhandlungen.
Laut dem jetzt gültigen Koalitionsvertrag, der in wenigen Monaten schon dem Altpapier anvertraut werden dürfte, ist auch sicher, dass der jetzige Außenminister Yair Lapid, Unvorhergesehenes vorbehalten, der Regierungschef einer israelischen Übergangsregierung sein wird.
Der Rest ist Spekulation und höhere Gewalt, sowie die erneute Einsicht, dass in Israel wohl auch auf absehbare Zeit nur diejenigen Politiker und Parteien Chance auf einflussreiche Jobs haben werden, die den Flair besitzen, um ein Regierungsschiff durch die stürmischen Wogen des Nahost-Alltags zu lenken, die das Flair haben für kluge und risikofreudige Politik in nicht nur freundlich gestimmter Umgebung. Daneben braucht ein Regierungschef in Jerusalem auch das nötige Quentchen an Verrücktheit.
Foto:
Bennett und Lapid bei ihrer Ankündigung
©tachles
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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 20. Juni 2022