Nikolaeus Maërthon
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Diese Wochendepesche vom 21. September berichtet vom fragwürdigen Verhalten des Ortsbeirats Nieder-Eschbach und entlarvt die Schuldenbremse als trojanisches Pferd des internationalen Raubtierkapitalismus.
Bildungsfern und verfassungsfeindlich?
Am 24. und 25. September feiert die zu Frankfurt gehörende Gemeinde Nieder-Eschbach ihr 1.250-jähriges Bestehen. Außerdem soll dann aus Anlass der seit 55 Jahren bestehenden Partnerschaft mit der französischen Gemeinde Deuil-la-Barre (im Département Val-d’Oise nordwestlich von Paris gelegen) auch ein Baum gepflanzt werden. Hierzu hat sich Oberbürgermeister Peter Feldmann angemeldet.
Mittelpunkt des Festes wird ein mittelalterlicher Markt sein. Jahrmärkte dieser Art sind häufig dann anzutreffen, wenn bildungsfernen Veranstaltern nichts anderes einfällt. Dann übersehen sie gern – oder wissen gar nicht – dass sich diese Zeitepoche vom 6. bis zum 15. Jahrhundert erstreckte und sehr unterschiedliche Fertigkeiten und Gebräuche hinsichtlich Handwerk, Handel, Ernährung, Kleidung oder Kunst hervorbrachte. Lediglich durch zwei Eigenschaften waren sämtliche neun Jahrhunderte gezeichnet, nämlich durch Feudalismus und Antijudaismus. Möglicherweise war das für die rechtspopulistischen „Bürger für Frankfurt BFF“, die in der Stadtverordnetenversammlung häufig die AfD unterstützen, Anlass, im Ortsbeirat 15 zu beantragen, den angekündigten Besuch von Oberbürgermeister Peter Feldmann abzulehnen. Feldmann ist jüdischen Glaubens.
Offiziell wurde der Antrag, dem sämtliche Fraktionen zustimmten (CDU, Grüne, SPD, BFF, FDP), mit dem anstehenden Gerichtsverfahren gegen den OB begründet. Ihm werden Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung vorgeworfen. Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung gilt jedoch auch für Feldmann die Unschuldsvermutung. Im konkreten Fall allemal, denn es handelt sich um ein politisch lanciertes Verfahren. Eine Vorverurteilung plus Strafmaßnahmen durch Parlamente oder Regierungen wäre eine Leugnung des staatlichen Gewaltmonopols. Die Mitglieder des Ortsbeirats haben sich durch ihr Abstimmungsverhalten dem Verdacht ausgesetzt, Verfassungsfeinde zu sein.
Die Schuldenbremse als trojanisches Pferd des internationalen Raubtierkapitalismus
Schulden gelten bei politisch Ungebildeten als anrüchig. Vor allem den Schulden des Staats haftet die Vorstellung an, dass Parlamente, Regierungsmitglieder und hohe Beamte ihre vermuteten regelmäßigen Besuche in diversen Rotlichtvierteln aus dem Steueraufkommen der Bürger bezahlen würden. Ebenso die Alimente für ihre Zweit-, Dritt- und Viertfrauen. Die Politik unterstützt dieses Vorurteil, indem sie notwendige Investitionen in die Infrastruktur stets unter den Vorbehalt der Finanzierbarkeit stellt. Dabei könnte sie durch eine gerechte Steuerlast alle Staatsbürger an der unumgänglichen staatlichen Daseinsvorsorge beteiligen. Doch vor allem Besserverdienende und Wohlhabende einschließlich aller, die es werden wollen, drücken sich vor Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft, wenn es Geld kosten. So kam es zwangsläufig dazu, dass die Summe der in Jahrzehnten angehäuften Staatsschulden jenen Steuern entspricht, mit denen diejenigen nicht belastet wurden, die solche Zahlungen hätten leicht tragen können. Dieses unsolidarische Verhalten ist vor allem bei Mitgliedern und Wählern von CDU und FDP sowie von rechtspopulistischen Parteien verbreitet. Allerdings stößt man auch bei Sozialdemokraten und Grünen auf solche Ängste. Ein Dasein als Staatsbürger muss eben gelernt sein. Doch das Denken, das Schreiben und das Lesen ist nie der Spießer Sach‘ gewesen.
Die Neoliberalen, denen einerseits bewusst ist, dass auch eine völlig deregulierte Wirtschaft auf eine funktionierende Infrastruktur angewiesen ist, welche durch den Staat errichtet und aufrechterhalten werden muss, und die andererseits aus Gründen der Steuervermeidung dennoch Prioritäten definieren wollen, entschieden sich im Dschungel ihrer eigenen Widersprüche für die Quadratur des Kreises. Dieses Vorhaben läuft hinaus auf die Formel: Staatliche Kernaufgaben plus Teile des Nachrangigen plus Ausgleich von Steuerschulden werden durch Einnahmen gedeckt, die in den Etats des Bundes und der Länder bei niedrigstmöglichen Steuersätzen ausgewiesen sind. Dieser geradezu somatische Irrsinn führte zur sogenannten Schuldenbremse, die 2009 im Grundgesetz verankert wurde (Art. 109, Abs. 3, Satz 1). Sie beschränkt die Neuverschuldung auf maximal 0,35 Prozent des nominellen Bruttoinlandsprodukts und soll mittelfristig zu einer „schwarzen Null“ führen.
Zur Abwendung einer Notlage (Naturkatastrophen, Krieg) kann davon abgewichen werden.
Zwar gehen die Staatsschulden seit 2010 zurück. Aber die geplante Vernachlässigung der sozialen Infrastruktur, etwa im Bildungs- und Gesundheitswesen, nimmt mittlerweile katastrophale Formen an. Die Corona-Pandemie der Jahre 2020 und 2021 offenbarte beispielsweise den maroden Zustand von Schulgebäuden. Krankenhäuser, Pflegeheime oder Kindertagesstätten können das Personal, das sie dringend benötigen, nicht im notwendigen Umfang bezahlen. Sowohl im öffentlichen Personennahverkehr als auch im Fernverkehr der Deutschen Bahn fehlen Mitarbeiter und Wagen. Das Schienennetz der Bahn ist in einem so miserablen Zustand, dass es immer wieder zu Unfällen kommt. Das 9-Euro-Ticket, das in diesem Sommer so viel Zuspruch fand, konnte bislang nicht weiter angeboten werden, weil sich Bund und Länder über die Finanzierung des benötigten Zuschusses von ca. 3 Milliarden Euro streiten. Über die 12 bis 14 Milliarden Euro, welche die Instandhaltung des Straßennetzes jährlich kostet, wurde selten in den Parlamenten gestritten.
Es hat den Anschein, dass die Bundesrepublik Deutschland unter die Räuber gefallen ist. Nämlich Opfer der Begehrlichkeiten des Neokapitalismus wurde. Dessen trojanisches Pferd heißt Schuldenbremse. Der Klagegesang derer, die ihren Reichtum bedroht sehen, wird begleitet durch das Mantra des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner, der pausenlos vor Steuererhöhungen warnt. Fürwahr, wir leben in finsteren Zeiten.
Foto:
Nieder-Eschbach Ein Ort jenseits der Demokratie
© MRG
Info:
Abdruck mit freundlicher Genehmigung von www.bruecke-unter-dem-main.de ©
Zwar gehen die Staatsschulden seit 2010 zurück. Aber die geplante Vernachlässigung der sozialen Infrastruktur, etwa im Bildungs- und Gesundheitswesen, nimmt mittlerweile katastrophale Formen an. Die Corona-Pandemie der Jahre 2020 und 2021 offenbarte beispielsweise den maroden Zustand von Schulgebäuden. Krankenhäuser, Pflegeheime oder Kindertagesstätten können das Personal, das sie dringend benötigen, nicht im notwendigen Umfang bezahlen. Sowohl im öffentlichen Personennahverkehr als auch im Fernverkehr der Deutschen Bahn fehlen Mitarbeiter und Wagen. Das Schienennetz der Bahn ist in einem so miserablen Zustand, dass es immer wieder zu Unfällen kommt. Das 9-Euro-Ticket, das in diesem Sommer so viel Zuspruch fand, konnte bislang nicht weiter angeboten werden, weil sich Bund und Länder über die Finanzierung des benötigten Zuschusses von ca. 3 Milliarden Euro streiten. Über die 12 bis 14 Milliarden Euro, welche die Instandhaltung des Straßennetzes jährlich kostet, wurde selten in den Parlamenten gestritten.
Es hat den Anschein, dass die Bundesrepublik Deutschland unter die Räuber gefallen ist. Nämlich Opfer der Begehrlichkeiten des Neokapitalismus wurde. Dessen trojanisches Pferd heißt Schuldenbremse. Der Klagegesang derer, die ihren Reichtum bedroht sehen, wird begleitet durch das Mantra des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner, der pausenlos vor Steuererhöhungen warnt. Fürwahr, wir leben in finsteren Zeiten.
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