Jacques Ungar
Tel Aviv (Weltexpresso) - Im Emirat Dubai wurde erstmals eine Synagoge eingeweiht – das Emirat könnte zu einem Träger des nahöstlichen Friedensgedankens werden.
Als Erstes sollen gedankliche Hilfe und Beurteilung den Augenschein eines mehrtägigen Aufenthalts in Dubai prägen, wobei ein solcher Augenschein nicht viel mehr als Stückwerk sein kann angesichts dessen, dass sich die Region rasch wandelt. Die elektronisch-industrielle Zentrale mit vielversprechender Zukunft und glorreicher Vergangenheit ist auf dem Weg, zu einem der Träger des nahöstlichen Friedensgedankens (zusammen mit Israel und anderen Staaten der Region) zu werden. Die Vergangenheit bleibt dabei wertvoller Bestandteil des Ganzen. Die Herrscher Dubais können es sich dank ihres sagenhaften Ölreichtums und der politischen Weitsicht der Emiratenschicht erlauben, basierend auf einer Kooperation mit der Weltmacht Amerika und dem einstigen Erzfeind Israel, dem Partner von heute, und weiteren gleichgesinnten Staaten aus der Region, dem palästinensischen Terror und dem iranischen Fanatismus hoffentlich für immer abzuschwören. Zum Wohl der ganzen Region, aber auch zum Wohl der eigenen Einwohner.
Erste Synagoge
Der Zufall wollte es, dass in die Zeit des Aufenthalts unserer Gruppe in Dubai die Einweihung der ersten Synagoge in dem Emirat stattfand. Die Gruppe wusste nicht rechtzeitig von dem Ereignis, und so konnte sie sich nur von Drittseite über das Ereignis informieren lassen. Gerade die Tatsache, dass die Gruppe sich aus rund 40 israelischen Touristen zusammensetzte, hätte bei etwas flexiblerer Einstellung der Reiseorganisatoren, aber auch der staatlichen Sicherheitsstellen, als wertvolle Hebelwirkung bei potenziellen jüdischen und anderen Interessenten in- und ausserhalb Israels fungieren können. Nun, was nicht ist, kann noch werden. Die Tatsache der Existenz eines jüdischen Gotteshauses mitten im Regierungsviertel wäre jedenfalls ein zusätzliches Argument zugunsten eines Besuchs von Dubai. Ein weiterer Zwischenfall trug sich während einer Mittagspause auf der Rundreise zu: Der Reiseleiter war dabei, seinen Leuten Wissenswertes über die Geschichte Dubais zu berichten. Als er zu diesem Zweck eine Landkarte des Emirats ausbreitete, dauerte es nur wenige Minuten, bis eine Person, die offenbar dem öffentlichen Dienst angehörte, auf den Plan trat und darauf hinwies, dass für das Abhalten «politischer Referate» die vorgängige Zustimmung der betreffenden offiziellen Stätte nötig sei.
Wir packten also unsere sieben Sachen zusammen, bestiegen den Autobus und fuhren wieder ab. Man unterhielt sich noch eine ganze Weile während der Fahrt über die Frage, was an den Ausführungen des Reiseleiters denn politisch gewesen sein konnte. Die Frage erhielt keine befriedigende Antwort, doch bei anderer Gelegenheit wurde bei erklärenden Ausführungen auf die Verwendung der inkriminierenden Landkarte eben verzichtet. Wenn uns hier die leise Kritik gestattet sei: Zwischen Israel und Dubai mögen heute intakte di-plomatische Beziehungen herrschen, doch es wäre sinnvoll, wenn sich die staatlichen Stellen in dem Wüstenemirat kundig machten, was im befreundeten Land als politisch gilt und was nicht. Nötigenfalls können allfällige Missverständnisse ja im direkten Gespräch geklärt werden.
Freiwillige Diaspora?
Die neue Synagoge von Dubai wird nicht zuletzt den in dem Land ansässigen Menschen jüdischen Glaubens zu Diensten stehen. Ein jemenitischer Jude, der heute mit seiner Familie in einem Villenviertel als Gast des Staates lebt, hat jedenfalls bereits die Möglichkeiten ins Auge gefasst, seinen Wohnsitz näher zur Synagoge zu verlegen. Der Mann blickt übrigens auf eine interessante Lebensgeschichte zurück. Als Jüngling verlegte er seinen Wohnsitz von Jemen nach Israel, wo er als Schüler in einer Jeschiwa studierte. Danach kehrte er nach Jemen zurück, um standesgemäss zu heiraten. Es folgte angesichts der Wirren in seiner Heimat die Ausreise – nach Dubai, wo er bis heute mit Frau und Kindern in einer von der Regierung zur Verfügung gestellten Villa lebt. Die Kinder werden in jüdischen Fächern zu Hause unterrichtet; für Allgemeinfächer steht den Jugendlichen der Besuch der örtlichen Schule offen. In Israel lebt der Jemenite nicht, da die dortige Regierung sich, wie er sagte, weit weniger grosszügig zeige als die Verantwortlichen in Dubai. Ihr Berichterstatter, der die Verhältnisse jemenitischer Einwanderer in Israel sowohl noch von Jemen her als auch jetzt in Israel recht gut kennt, wollte die emotionale Unterhaltung mit dem jemenitischen Exil-Juden in Dubai nicht auf die Spitze treiben, und so blieben gar manche Fragen ungefragt oder dann unbeantwortet. Irgendwann aber werden Zuständige in Jerusalem zwei Fragen klären müssen: Erstens, ob die Schaffung einer freiwilligen Diaspora praktisch vor den Toren Israels mit den traditionellen Aktivitäten des israelischen Alija-Establishments zugunsten der Juden, für die Israel auch heute noch die einzige Alternative ist und bleibt, vereinbar ist. Zweitens, ob Jerusalem mit allfälligen Entscheidungen nicht möglicherweise die noch frischen guten Beziehungen zu aufnahmewilligen «neuen» arabischen Gastländern letztlich trüben muss. Das aber sind, wenn überhaupt, für Israel die Sorgen einer noch in recht ferner Zukunft liegenden Thematik.
Ein Wunder
Das touristisch im wahrsten Sinne des Wortes herausragende baulich-wirtschaftliche Objekt architektonischer Entwicklung in Dubai ist das kühn aus dem Meer hinaus gebaggerte Objekt der künstlichen Feigenstadt Jumeira, sicher ein international nicht weit vom achten Weltwunder weg liegendes Wunder ganz besonderer Art: Aus einem Mittelschaft, hergestellt von aus weiter Ferne herbei transportierter Erde, züngeln sich bauliche Seitenäste der Feigenpalme. Vom 126. Stockwerk des Hochhauses Burj Al Arab herab präsentiert sich die Feigenstadt in ihrer vollen Pracht, und auch der Zweck der Stadt wird dem Betrachter rasch klar: Das Schaffen vollwertigen Wohnraums – Jumeira verfügt in seinen Seitenästen über zahlreiche Villen, die durch ein Strassennetz miteinander verbunden sind. Längerfristig wurde hier ein auch anderswo einsetzbares Modell der Lösung der Wohnungsknappheit realisiert, das sich auch in anderen Ländern verwirklichen lässt. In Dubai haben internationale Architekten unter kundiger Führung einer örtlichen Führungskraft zukunftsweisende Arbeit geleistet. Über kurz oder lang könnte Dubai sich durch den Verkauf der Idee von Jumeira ein schönes Stück Geld verdienen.
Blick in die Zukunft
Hinter dem Ganzen steht ausser der schieren Freude an der Realisierung von architektonisch-geschäftlichen Neuheiten eine weitere, sehr ernst zu nehmende Idee: Heute schwimmen die Einwohner Dubais dank des Ölreichtums des Landes in paradiesischen Zuständen, die den Kindern der Vereinigten Arabischen Emirate eine erstklassige Erziehung und Ausbildung, ein ähnlich gelagertes Gesundheitswesen und auch eine langfristig konzipierte Landesverteidigung bieten. Über den letzten Aspekt spricht man in Dubai, Abu Dhabi, oder Bahrain und Shargha ebenso ungern wie in Israel. Aber ebenso wie in Israel, wo man bekannterweise viel Wert auf Perfektion wie auf langfristige Ausrichtung legt, ist der Blick in die Zukunft der übernächsten oder noch weiter entfernteren Generationen für die Herrscherfamilien in den Emiraten aus einem sehr praktischen Grund bereits heute das Mass aller Dinge: Der Ölsegen garantiert den Wohlstand des Volkes ebenso sicher wie es keine Frage ist, dass der «braune Segen» eines Tages versiegen wird. Weil man den Ur- oder Ururenkeln ersparen will, eines Tages krass gesprochen vor ausgetrockneten Pipelines zu stehen, investieren die Landesväter von Dubai bereits heute Milliarden in die Förderung von zukunftsträchtigen Wirtschaftszweigen: Der Tourismus ist dabei schon heute auf dem besten Weg, an die Seite der Ölwirtschaft zu treten, gemeinsam mit Sektionen der Architektur, des Liegenschaftshandels, der bewussten Pflege der einheimischen Geschichte und der Kultur sowie des Finanzwesens, der Chemie und was der guten Dinge da noch sein mögen. Rechtzeitig hat man in Dubai dabei schon rasch realisiert, dass in diesem Programm kein Platz ist für religiösen wie militärischen Extremismus. So gesehen macht auch die Partnerschaft mit Israel Sinn, doch dieser spezifische Aspekt wird sich im Laufe der Jahre gewiss in zunehmendem Masse selbst erklären.
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