Trotz Abmagerung: Besser Verzicht auf künstliche Ernährung in letzter Lebensphase
Hubertus von Bramnitz
Wiesbaden (Weltexpresso) – Fortgeschrittene Tumorerkrankungen führen häufig dazu, dass Betroffene sehr stark abmagern. Für sie selbst, Angehörige und das medizinische Personal ist das häufig ein Grund zu großer Sorge. Dies führt dazu, dass Patientinnen und Patienten auch im letzten Lebensabschnitt künstlich ernährt werden, sei es über eine Magensonde oder sogar mittels Gabe von Nährstoffen direkt in den Blutkreislauf – die sogenannte parenterale Ernährung. Davon rät eine von sechs neuen Klug-entscheiden-Empfehlungen der DGIM nun ab, der Fokus solle in der letzten Lebensphase zum Wohle der Betroffenen auf einer palliativmedizinischen Betreuung liegen. Beim 129. Internistenkongress stellen beteiligte Schwerpunktgesellschaften der DGIM die neuen Empfehlungen in zwei Sitzungen vor.
Onkologische Patientinnen und Patienten mit einer Lebenserwartung von mindestens drei bis sechs Monaten können von einer künstlichen Ernährungstherapie profitieren. „Bei einer kürzeren Lebenserwartung ist Zurückhaltung angebracht und bei einer Lebenserwartung von weniger als einem Monat sollte die Symptomlinderung ganz im Vordergrund stehen“, erläutert Professor Dr. med. Sebastian Schellong, Vorsitzender der Konsensus-Kommission „Klug entscheiden“ eine der Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO), die beim Kongress vorgestellt und im Anschluss im Deutschen Ärzteblatt veröffentlicht werden. Die Studienlage beweise, dass in der letzten Lebensphase eine Ernährungstherapie nicht mehr lebensverlängernd wirke, vielmehr beeinträchtige sie die Lebensqualität, da insbesondere die parenterale Ernährung Nebenwirkungen wie Unwohlsein, Fieber und Schüttelfrost mit sich bringe. Auch verspürten die Patientinnen und Patienten meist keinen Hunger mehr. „Entscheidend ist hier eine bestmögliche Schmerztherapie – natürlich immer in Abstimmung mit Betroffenen und deren Angehörigen“, schließt Schellong.
Beim Kongress der DGIM stellen neben der DGHO auch die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) jeweils zwei neue Behandlungsempfehlungen in ihrem Schwerpunkt vor, die im Anschluss gesammelt im Deutschen Ärzteblatt publiziert werden. Darunter ist etwa auch die Empfehlung aus der Kardiologie, die antithrombotische Therapie bei akutem Koronarsyndrom und Vorhofflimmern unter bestimmten Bedingungen von bis zu einem Jahr auf eine Woche zu verkürzen. Eine aktuelle Empfehlung aus der Gastroenterologie lautet, vor einer prophylaktischen gluten- und weizenfreien Ernährung eine Zöliakie definitiv auszuschließen, um Patientinnen und Patienten vor möglichen negativen Folgen der Ernährungsumstellung zu schützen.
Seit 2016 gibt die DGIM die Klug-entscheiden-Empfehlungen (KEE) aus allen Fächern der Inneren Medizin heraus. „Mit der Initiative ‚Klug entscheiden‘ geben wir den Ärztinnen und Ärzten der beteiligten Fachbereiche ein praktisches Instrument für den Klinik- und Praxisalltag an die Hand“, sagt Professor Dr. med. Georg Ertl, Generalsekretär der DGIM und Internist und Kardiologe aus Würzburg. „Die Handlungsempfehlungen richten sich sowohl gegen Über- als auch Unterversorgung und sollen die Qualität und Effektivität der Patientenversorgung weiter verbessern.“
Terminhinweise:
Klug Entscheiden 1
Montag, 24. April 2023, 9.00 Uhr
Konferenzzeitplan – 129. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (mcon-mannheim.de)
Klug Entscheiden 2
Dienstag, 25. April 2023, 9.00 Uhr
Konferenzzeitplan – 129. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (mcon-mannheim.de)
Systemisch denken und individuell therapieren in der Inneren Medizin: wie chronische Entzündungen krank machen
Ort: online über die Kongressplattform
Das Krankenhauszukunftsgesetz
Foto:
©Nahrungsverweigerung.de