deutschlandfunk111Beim Konflikt im Gazastreifen wird hinter den Kulissen wohlmöglich der Wunsch nach einem Waffenstillstand laut

Jacques Ungar

Tel Aviv (Weltexpresso) - In den letzten Stunden des Mittwochnachmittags wurde das öffentliche Interesse am Konflikt im Gazastreifen vor allem von folgenden Informationen wachgehalten: Anzahl der aus Gaza gegen Israel abgefeuerten Raketen und deren Einschlagsorte, gesellen die Hamas-Terroristen sich zum kriegerischen Geschehen hinzu oder nicht, oder die niedrige Zahl de Opfer auf israelischer Seite.

Inzwischen scheint ein anderes, wichtigeres Thema den genannten Fragen die Show stehlen zu wollen: Wird hinter den Kulissen der Wunsch nach einem Waffenstillstand, womöglich mit Vermittlung von Kräften wie Ägypten, Uno, Katar und vielleicht noch anderen immer lauter genannt, bis er aus dem täglichen Gesprächsstoff nicht mehr wegzudenken ist? Der Islamische Jihad hat, so zumindest denkt man in den Entscheidungsetagen der Terrororganisation, in den letzten Tagen genügend Fähigkeiten bewiesen, wenn nötig den Mann auf dem Schlachtfeld zu stellen.

Israel ist in ersten Reaktionen zu den Waffenstillstandsgerüchten beeindruckt vom Einsatz der beiden Länder, von denen nur Kairo, nicht aber Katar offizielle Beziehungen zu Jerusalem unterhält. Am heutigen Mittwochnachmittag hat Israel dutzende von feindlichen Raketen-Abschussrampen zerstört, musste allerdings zusehen, wie der Jihad den ganzen Tag über bis zu 300 Raketen gegen Israel abschoß. Von diesen erreichte jedoch nur weniger als die Hälfte ein Ziel jenseits des Gazastreifens.

Darüber hinaus wächst auf beiden Seiten die eigentliche Unlust an einer Weiterführung des Konfliktes – für dieses Mal wenigstens. Zudem kann gesagt werden, dass Israel in den letzten zwei Tagen ein gewisses Maß seiner Abschreckungskraft wiedergewonnen hat, die es in den letzten Monaten vor allem aus politischen Gründen verloren hatte. Der Jihad schließlich will, einfach und direkt ausgedrückt, seine militärische und wirtschaftliche Existenzkraft nicht unbedingt gegen einen Gegner riskieren, gegen den es doch nie nachhaltig gewinnen kann.

Es mag noch Tage oder Wochen dauern, und der Konflikt könnte zwischenzeitlich sogar noch eskalieren. Am Ende jedoch könnten Uno, Ägypten und Katar mit ihren erneuten Bemühungen um einen Waffenstillstand Erfolg haben. Hamas könnte dabei vielleicht versuchen, den Spielverderber zu spielen, läuft es mit seiner Passivität doch Gefahr, als Verräter an der muslimischen Sache als eigentlicher Verlierer vom Platze gehen zu müssen. Das dürften aber vor allem Ägypten und internationale Organisationen mit möglichst grosszügigen Wiederaufbauinvestitionen für den Gazastreifen hoffentlich zu verhindern wissen. Die Geduld Israels darf nämlich nicht mehr übermässig strapaziert werden.

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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 12. Mai 2023