Bis Dienstag bereits neun tote und über 100 verletzte Palästinenser
Jacques Ungar
Jenin (Weltexpresso) - Noch am Montagabend versicherte der israelische Regierungschef im Brustton der (politischen) Überzeugung, dass die Aktion «Haus und Garten» in der Westbank-Stadt Jenin «so lange wie nötig» andauern werde. Inzwischen verdichteten sich aber die Gerüchte, die von einem bevorstehenden Ende der Militäraktion der IDF gegen die palästinensischen Terroristen sprachen. Auf den ersten Blick sah es zwar eher anders aus: Noch in der Nacht zum Dienstag registrierten die Palästinenser ihren neunten Toten, und die Zahl der Verletzten war laut israelischen Schätzungen bereits auf über hundert gestiegen.
Am Dienstag meldete der israelische Armeesprecher zudem die Entdeckung von fünf Produktionsstätten für Kampfmittel der Terroristen im umkämpften Flüchtlingslager. In einem von diesen lagen laut IDF hunderte von Sprengsätzen bei terroristischen Einsätzen vorbereitet da. Auch die diversen Gruben, die die Israeli in Jenin entdeckten, waren mit allem anderen als mit Humus-Erde gefüllt, sondern eher mit Materialien für den Kampf der Terroristen gegen die Israelis».
Trotzdem dürften die zunehmenden Israel-kritischen Stimmen aus aller Welt das Ihrige dazu beitragen, den Politikern und Experten in Jerusalem klar zu machen, dass auf die Länge eine Weiterführung der israelischen anti-Terroraktion in Jenin sich zunehmend gegen die Position Israels auswirken dürfte. Daran wird auch die von den USA in der Nacht zum Dienstag verbreitete Unterstützung für das Recht Israels wenig ändern, sich zu verteidigen. Im Übrigen waren sich die Militärexperten, nicht nur in Israel, weitgehend gleicher Meinung: Egal, unter welchen Umständen «Haus und Garten» abgebrochen wird – die nächste Runde wird recht bald folgen.
In dieser Beziehung hatte der Premierminister mit seiner Äusserung wohl recht: «Die Operation zielt auf Jene ab, die uns von der Erdoberfläche wegwischen wollen». Hier sollte einmal mehr an die altbekannte Weisheit erinnert werden: Es reicht, Lügen nur oft genug zu wiederholen, dann werden sie von alleine zu «Wahrheiten». So gesehen, nützte es wohl herzlich wenig, dass Israels Medien am Dienstag von der «grössten Aktion gegen Jenin» reden, die Israel seit dem Jahr 2002 lanciert hat. Die Welt, unter ihnen auch viele Israelfreunde, sehen in zahllosen einsatzbereiten Sprengsätzen und todesbereiten Jihadisten bis zu ihrer todesbringenden Explosion nur passives Material und verblendete Menschen. Ist das Attentat erst mal geschehen, strömen die Beileidsbotschaften auch heute immer noch mit herzerwärmender «Ehrlichkeit» in Richtung Jerusalem. Nur, dass mit ihnen auch heute noch Tote nicht wieder zum Leben erweckt werden können. Das gilt auch für palästinensische Helden-Tote, deren Familien von der gleichen Palästinensischen Behörde finanziell entschädigt werden – vor den Nasen und geballten Fäusten machtloser israelischer «Besatzer». – Vielleicht ist bis zum Erscheinen dieser Zeilen die Operation «Haus und Garten» bereits beendet worden. Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern lebt aber unverändert weiter.
Foto:
Frauen und Kinder flüchten vor den Angriffen der IDF aus einem Flüchtlingslager in Jenin
©tachles
Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 4. Juli 2023