kurttWann wird endlich ein Beauftragter oder eine Beauftragte für den deutschen Widerstand gegen das Naziregime berufen?

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) - Noch einmal erhebe ich mit 96 Jahren meine Stimme zu Ehren der vielen Unbekannten und Ungenannten, die dem Naziregime Widerstand geleistet haben, ohne dass sie davon irgendwie Aufhebens gemacht haben; sei es dass sie verfolgte Juden versteckt oder einem Gefangenen heimlich ein Stück Brot zugesteckt haben.

Sie setzten damit ihr Leben ebenso aufs Spiel, wie das die Männer um Graf Stauffenberg am 20. Juli 1944 taten. Zu Recht wurde an ihrer einstigen Hinrichtungsstätte im Berlin ein Denkmal für den Widerstand gegen das Naziregimes errichtet. Damit sollte es nicht für immer sein Bewenden haben So wie an vielen Plätzen landauf und landab der Opfer gedacht wird, die in den Gaskammern erstickt wurden oder auf dem Transport von einem Konzentrationslager in das andere verhungerten, sollte den nachgewachsenen Generationen daran gelegen sein, die Erinnerung an eben jene Namenlosen wach zu halten, die sich gegen das Unrechtsregime von Anbeginn aufgelehnt haben und dafür langjährige Gefängnis- oder Zuchthausstrafen auf sich nehmen mussten.

Der Bannstrahl des Naziterrors traf nicht nur die Unmittelbar Betroffenen, sondern auch deren Familienangehörige, er traf die Kinder in der Schule, die Geschwister, die Eltern und sogar die Großeltern. Nur wer die Nazizeit selber erlebt hat, kann sich ein wirklich zutreffendes Bild von denen Verhältnissen unter dem Hakenkreuz machen. Das ist es, was mich umtreibt und meinen Blick schärft für neue Gefahren. Dass eine Partei mit bedrohlicher Schlagseite nach rechts in Thüringen bei einer Umfrage einen Anteil von 34 Prozent erreichte und damit stärkste politische Kraft wurde, raubt mir den Schlaf. Ich muss an verstorbene Freunde denken, die davon erzählt haben, wie harmlos alles anfing zu Beginn der Weimarer Zeit, bis dann eines Tages die ersten Züge nach Auschwitz rollten.

Müsste das „Wehret den Anfängen!“ der Mahner von einst den Kindern des deutschen Wirtschaftswunders, die inzwischen selber Eltern und Großeltern geworden sind, nicht als Alarmsignal in den Ohren schrillen? In Frankreich wird die Erinnerung an die Schrecken der Nazizeit mit einer einfachen Methode wach gehalten. Alljährlich werden in allen Schulen an einem bestimmten Tag letzte Briefe junger französischer Widerstandskämpfer vorgelesen, die auf Betreiben der Nazi- Besatzer hingerichtet worden sind. Könnten sich die Kulturminister der Bundesländer daran nicht ein Beispiel nehmen? Wäre es nicht an der Zeit, dass die Unterrichtspläne an allen Schulen daraufhin durchgesehen werden, welchen Platz dort nicht nur die Namen von Sophie Scholl und Graf Stauffenberg einnehmen, sondern auch die Namen von Lilo Herrmann und Kurt Hübener?

Sie gehörten zu den Menschen, von denen der legendäre britische Premierminister Winston Churchill 1947gesagt hat: „In Deutschland lebte eine Opposition, die zu dem Edelsten gehört, was in der Geschichte der Völker je hervorgebracht worden ist. Diese Männer und Frauen kämpften ohne Hilfe von innen oder außen, einzig getrieben von der Unruhe ihres Gewissens. Ihre Taten sind das unzerstörbare Fundament eines neuen Aufbaus.“ Könnte es eine ehrenvollere Aufgabe für einen Beauftragten oder eine Beauftragte der Bundesregierung geben, als die Pflege der Erinnerung an den deutschen Widerstand gegen das Naziregime? In den vergangenen 30 Jahren hat sich die Zahl der Bundesbeauftragten auf mehr 40 erhöht Als vorläufig letzte wurde eine Beauftragte für den Tierschutz ernannt. Es gibt einen Beauftragten für die Opfer der SED-Diktatur, für den Mittelstand, für den Schienenverkehr, für Aussiedlerfragen und sogar für die Meere. Warum nicht endlich auch einen Beauftragten für den deutschen Widerstand gegen das Naziregime?

Foto:
Unser Autor
©privat