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Warum bringt ein Historiker Fritz Bauers Namen nicht über die Lippen?

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) – Als Redner kann man sich auf zwei Arten blamieren: Durch das, was man sagt, und durch das, was man weglässt. Norbert Frei hat  sich für die zweite Variante entschieden, als er am 22.Juni bei der Carl Friedrich von Siemens Stiftung in München vor einem illustren Publikum über den Umgang der deutschen Deutungseliten mit der nationalsozialistischen Vergangenheit referierte.

 

Zu den Akteuren dieses Prozesses gehörten nach seiner Darstellung nicht nur Journalisten, Publizisten und Schriftsteller, sondern auch Politikerinnen und Politiker, Juristen, Historiker und viele andere. Ein Drehpunkt  der öffentlichen Debatte über die NS-Vergangenheit sei der Frankfurter Auschwitz-Prozess gewesen. Der Name des Mannes, dem allein es zu verdanken ist, dass dieser Prozess zustande kam, wollte  ihm aber partout nicht über die Lippen. Dabei hat ihn der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, in den höchsten Tönen gerühmt: Er sagte über ihn, Fritz Bauer habe an der deutschen Geschichte mitgeschrieben und sie zum Guten hin beeinflusst.

 

Hat Norbert Frei, seines Zeichens Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität in Jena, ein Problem mit Fritz Bauer? Wenn es ihm wirklich darum geht, den Prozess der gesellschaftlichen Auseinandersetzung  mit der nationalsozialistischen Vergangenheit zu analysieren und zu beschreiben, dann führt kein Weg an Fritz Bauer und dessen politischem Wirken vorbei. Lange bevor sich die deutsche Historikerzunft Gedanken über Ernst Noltes Aussagen zum millionenfachen Massenmord an den Juden  machte, kreuzte Fritz Bauer 1962  in Bad Kreuznach die Klinge mit dem späteren Bundeskanzler Helmut Kohl, der dort die kühne These vertrat, es sei noch viel zu früh für ein abschließendes Urteil über die Zeit des Nationalsozialismus.

 

Ich war damals als Journalist dabei und kenne die Vorgeschichte des legendären Streitgesprächs. Fritz Bauer hatte in einem Vortrag, dessen Text wegen angeblicher Einseitigkeit an den höheren Schulen von Rheinland Pfalz nicht verteilt werden durfte, an den Untergang der Weimarer Republik erinnert und zum rechtzeitigen Kampf gegen den Neonazismus aufgerufen. Da drückte Norbert Frei noch die Schulbank. Hat er Einiges nicht mitbekommen? 

 

Voreingenommenheit darf er sich als Historiker eigentlich nicht leisten. Aber sie schimmert auch an anderer Stelle durch, dort nämlich, wo er auf Filme zu sprechen kommt, die bei der Auseinandersetzung mit der Nazizeit eine Rolle gespielt haben. So wie er Fritz Bauers Namen weglässt, schweigt er auch über den bedeutendsten deutschen Dokumentarfilm, den mit dem höchsten Prädikat „Besonders wertvoll“ ausgezeichneten Film von Ilona Ziok „Fritz Bauer – Tod auf Raten“. Folgt man Norbert Frei, dann hat es auch den Antikommunismus als entscheidendes Hemmnis bei der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit nicht gegeben.

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©vorwaerts.de

Info:
Nachzulesen ist der Text von Frei in Heft 8/23 der „Blätter für deutsche und internationale Politik“.