Bildschirmfoto 2023 09 13 um 08.00.45Anwalt der Regierung spricht bei der Anhörung zum Justizreformgesetz der israelischen Unabhängigkeitserklärung seine Bedeutung ab

Redaktion tachles

Tel Aviv (Weltexpresso) - Historisch, dramatisch, zukunftsweisend – so und nicht anders ist die Anhörung vor dem Obersten Gerichts Israels am 12. September zu beschreiben. Es ging um nicht weniger als die Frage, ob das erste verabschiedete Gesetz der Justizreform Bestand haben darf oder nicht. Wenn es durchkäme, dann könnte die Regierung unkontrolliert und unbeaufsichtigt Entscheidungen treffen, die nicht mehr «vernünftig» sind, sie könnte sogar Wahlen willkürlich verschieben und gegen die Menschenrechte vorgehen.

Zum ersten Mal in der Geschichte des israelischen Supreme Court waren alle 15 Richter bei der Anhörung anwesend. Ilan Bombach, der Anwalt, der die Regierung vertrat, verstieg sich in seinen Ausführungen für das Gesetz sogar so weit, die israelische Unabhängigkeitserklärung als ein «hastig» geschriebenes Papier zu bezeichnen, das ja nun kaum als Argument herhalten kann, dieses neue Gesetz abzulehnen. Und wieder kam das Argument, dass das Oberste Gericht gar keine Befugnis habe, ein «Grundgesetz» abzulehnen, denn das neue Gesetz ist als solches durch die Knesset gegangen.

Dem widersprachen die Richter. Doch Esther Hayut erklärte auch eindeutig, dass ein Grundgesetz aufzuheben nur dann gerechtfertigt sei, wenn es einen «tödlichen Schlag» für die Demokratie bedeuten würde, ein tödlicher Schlag auch gegen die Unabhängigkeit des Gerichts und die Gewaltenteilung. Die Richter haben nun 90 Tage Zeit, um ein Urteil zu fällen. Allgemein wird aber damit gerechnet, dass sie womöglich schon nach dem Ende der Hohen Feiertag ihre Entscheidung bekannt geben. Die Likud-Partei hat am selben Tag sehr klar erklärt, dass das Gericht eine «rote Linie» überschreiten würde, wenn es das Gesetz zurückweist.

Wie schon in den letzten Tagen immer wieder, so war auch diese Äußerung eine klare Ansage, dass die Regierung ein Nein nicht akzeptieren würde. Die Staatskrise droht. Mit nicht abzusehenden Folgen.


Foto:
Ilan Bombach an Israels Oberstem Gericht am Dienstag
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Info:
Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 12. September 2023