Zum Tod von Alfred Grosser
Kurt Nelhiebel
Bremen (Weltexpresso) - Wir sind uns nie begegnet und trotzdem war er mir vom ersten Tag meines Aufenthalts in Deutschland an wie ein Freund. Beide mussten wir unser Geburtsland unter Zwang verlassen, Alfred Grosser, weil er als Kind jüdischer Eltern in Deutschland seines Lebens nicht mehr sicher sein konnte, ich weil mir und meinesgleichen die Luft zum Atmen in der Nachkriegs-Tschechoslowakei zu knapp geworden war.
Als Antifaschist lebte ich über Jahre hinweg wie ein Fremder unter den Deutschen, die sich dem Naziregime bedingungslos unterworfen hatten, und ich horchte jedes Mal auf, wenn aus dem für mich weit entfernten Frankreich eine deutsche Stimme von ganz anderer Tonalität an mein Ohr drang, klar und bestimmt und dennoch ungemein viel Wärme verstrahlend. Es war die Stimme von Alfred Grosser. Sie schenkte mir jedes Mal neuen Mut, wenn der Alltagswahnsinn es wieder einmal zu arg trieb und mir den Blick für das immer noch Mögliche verstellte. Nun ist sie für immer verstummt.
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