Sefardischer Oberrabbiner greift in die Kontroverse um die Wehrpflicht für ultraorthodoxe Juden ein
Redaktion tachles
Tel Aviv (Weltexpresso) - Israels sephardischer Oberrabbiner erklärte am Samstagabend, dass die Verabschiedung eines Gesetzes, das die Einberufung aller ultraorthodoxen Männer in die israelischen Verteidigungsstreitkräfte vorsieht, diese dazu bringen würde, das Land zu verlassen.
«Wenn sie uns zwingen, zur Armee zu gehen, werden wir alle ins Ausland gehen», sagte Rabbi Yitzhak Yosef. «Sie müssen das verstehen, all diese säkularen Leute verstehen es nicht.»
«Sie müssen verstehen, dass es ohne die Thora, ohne die Jeschiwot nichts gäbe, keinen Erfolg für die Armee», erklärte Yosef, der Sohn des Gründers der ultra-orthodoxen Shas-Partei, Ovadia Yosef. «Das verdanken wir nur den Soldaten, entschuldigen Sie, den Thora-Lernenden. Die Soldaten haben Erfolg dank der Thora-Lernenden. Meine Herren, jeder muss das mit Stolz sagen – ja, wir sind mit der Thora beschäftigt, der Thora, die uns beschützt.»
Der Oppositionsführer Yair Lapid sagte: «Es ist eine Schande und eine Beleidigung für die IDF-Soldaten, die ihr Leben für die Verteidigung Israels riskieren. Rabbi Yosef ist ein Staatsbeamter mit einem staatlichen Gehalt. (…)» Der Vorsitzende der Partei Yisrael Beiteinu, Avigdor Lieberman, kommentierte: «Es ist eine Schande, dass nur Rabbi Yitzhak Yosef und die ultraorthodoxen Aktivisten weiterhin die Sicherheit Israels gefährden und sich entgegen dem jüdischen Gesetz verhalten.»
Die Partei des religiösen Zionismus, angeführt von Finanzminister Bezalel Smotrich, sagte: «Die Einberufung zur Armee ist eine große Mitzwa (gute Tat).»
Der Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir von Otzma Yehudit, sagte: «Wir glauben nicht daran, die ultraorthodoxe Öffentlichkeit zur Einberufung zu zwingen, und diese Dinge müssen aus Verständnis und Liebe heraus geschehen. Ein Großteil der Kontroverse könnte durch die Einberufung zur Polizei und zur Nationalgarde gelöst werden. Wir werden unser heiliges Land niemals verlassen!»
Vor etwa zwei Wochen hat der Oberste Gerichtshof den Staat aufgefordert, zu erklären, warum er die Ultraorthodoxen nicht in die Armee einberuft, da das entsprechende Gesetz außer Kraft getreten ist. Die Anordnung erging im Rahmen der Anhörung von Petitionen gegen die Entscheidung der Regierung, Jeschiwa-Studenten trotz des Auslaufens des Wehrpflichtgesetzes, das ihre Befreiung vom Dienst erlaubt, nicht einzuziehen. Der Oberste Gerichtshof hat dem Staat eine Frist bis zum 24. März gesetzt, um darauf zu reagieren.
Letzten Monat hat das Verteidigungsministerium zwei juristische Memoranden zu Gesetzesvorschlägen herausgegeben, die die Dauer des Pflichtdienstes für Kampfsoldaten und die Dauer des Reservedienstes für alle entlassenen Soldaten verlängern. Den beiden Gesetzesvorschlägen zufolge soll die Dienstpflicht für Kampfsoldaten auf drei Jahre verlängert werden, während die Zahl der Reservistendiensttage verdoppelt werden soll. In den Memoranden wurde die Einberufung von Ultraorthodoxen nicht erwähnt.
Im Zuge der Kritik, die nach der Veröffentlichung des Gesetzentwurfs aufkam, sagte Verteidigungsminister Yoav Gallant, dass er ohne die Zustimmung aller Koalitionsparteien keinen neuen Gesetzentwurf zur Einberufung der Ultraorthodoxen vorlegen werde. Gallant sagte: «Die Last gemeinsam zu tragen, ist eine nationale Herausforderung.» Er forderte Premierminister Binyamin Netanyahu auf, sich um einen Konsens zwischen den Parteien zu bemühen.
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Nachdruck des Artikels mit freundlicher Genehmigung aus dem Wochenmagazin TACHLES vom 11. März 2024