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Stoltenberg und die künftige Rolle der Nato im Ukraine-Krieg

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) - Seit fünf Tagen geht mein Blick immer wieder zu der Schlagzeile auf der ersten Seite der Süddeutschen Zeitung.  Dort ist die Rede davon, dass das Bündnis  der Ukraine  in  den nächsten fünf Jahren  Waffen im Wert von 100 Milliarden Euro beschaffen will.

 

Wie drückt man einen solchen Betrag in Zahlen aus? Es hat eine Weile gedauert hat, bis ich die elf Nullen hinter der Eins beisammen hatte. Als erstes kam mir wie schon so oft der Gedanke, wie viel Schulen, Krankenhäuser und Altenheime man für diese Summe wohl bauen könnte. So lange ich gegen den Rüstungswahnsinn anschreibe habe ich immer wieder diese Überlegung angestellt und bin nie auf Menschen gestoßen, die mir ernsthaft widersprochen hätten, es am Schluss aber bei einem zustimmenden Kopfnicken beließen. Darüber sind inzwischen 97 Jahre vergangen, ohne dass ich mich  damit beruhigen könnte, die Staatenlenker von ihrem Irrglauben abgebracht zu haben, dem Frieden sei mit Waffen am ehesten gedient.

 

In der genannten Zeitung vom 4. April ist zu lesen, dass die Nato als Organisation die Ukraine bisher nur mit so genannten nicht letalen militärischen Gütern, also mit  nicht tödlich wirkenden Waffensystemen oder Munition beliefert hat, sondern nur mit anderweitiger Ausrüstung wie etwa Sanitätsmaterial. Die direkte militärische Unterstützung laufe entweder bilateral zwischen einzelnen Ländern und der Ukraine oder – im Fall Europas – über die EU, die ihren Mitgliedsstaaten einen Teil der Kosten erstatte. Das soll sich jetzt ändern.

 

Koordiniert wird die Militärhilfe für Kiew, derselben Quelle zufolge, über eine Staatenkoalition, die nach dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz benannt ist und von den USA geleitet wird, organisatorisch aber von der Nato getrennt ist. Diese Konstruktion sei zu Beginn des russischen Abgriffskrieges gewählt worden, um der falschen Behauptung des russischen Diktators Putin keine Nahrung zu geben, sein Land müsse sich in der Ukraine gegen  einen Angriff der Nato wehren.

Die neue Rolle der Nato soll Befürchtungen entgegenwirken, die Unterstützung der Ukraine könnte bei einer Rückkehr des ehemaligen Präsidenten Trump ins Weiße Haus in Gefahr geraten. Die Süddeutsche Zeitung zitiert Trump in diesem Zusammenhang mit den Worten, er werde der Ukraine im Falle eines Wahlsieges „keinen Cent“ an Hilfe  mehr zukommen lassen. Das 100-Milliarden-Paket des Nato-Generalsekretärs könnte dabei helfen, die Unterstützung der Ukraine weniger abhängig von der jeweiliugen US-Regierung zu machen.

 

Ein endgültiger Beschluss werde erst beim Nato-Gipfeltreffen in Washington Anfang Juli erwartet. Offen sei auch noch die Frage, wie die von Stoltenberg genannten 100 Milliarden auf die 32 Nato-Mitgliedsländer aufgeteilt werden. Ebenso unklar sei, ob es in der Allianz überhaupt die notwendige  Einstimmigkeit für Waffenlieferungen an die Ukraine gebe. Länder wie Ungarn und die Slowakei könnten sich querstellen. Von deutscher Seite liegt eine konkrete Stellungnahme zu Stoltenberg Plänen noch nicht vor. 

 

An einer Lese-Empfehlung komme ich an dieser Stelle nicht vorbei: Am 22. April jährt sich der Geburtstag des großen Friedensphilosophen Immanuel Kant zum 300. Male.

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©Deutschlandfunk