Antikriegstag 2024
FIR
Berlin (Weltexpresso) - Am vergangenen Wochenende erinnerten nicht nur in Polen und Deutschland, sondern in vielen europäischen Ländern Regierungen und Friedenskräfte an den Beginn des kriegerischen Teils des Zweiten Weltkrieges durch den Überfall Hitler Deutschlands auf Polen. Wir sagen bewusst „kriegerischen Teil“, weil aus unserer Sicht der Zweite Weltkrieg bereits mit dem Eingreifen der faschistischen Kräfte im Spanischen Krieg sowie mit dem Anschluss Österreichs, dem Münchener Diktat gegen die CSR und der Besetzung der Rest-Tschechei seinen Anfang nahm.
Der Expansionismus des deutschen Faschismus hätte gestoppt werden können, wenn die westlichen Kräfte der späteren Anti-Hitler-Koalition den Ansprüchen des deutschen Faschismus entgegengetreten wären. Die britisch-französische Appeasement-Politik, die die Aggression des deutschen Imperialismus nach Osten, gegen die Sowjetunion lenken sollte, war eine wichtige Voraussetzung für den Überfall auf Polen am 1. September 1939. Noch im Frühjahr 1939 verkündete Adolf Hitler auf dem „Großdeutschen Reichskriegertag“ in Kassel in Anwesenheit der Vertreter zahlreicher ausländischer Botschaften, man habe keine Gebietsforderungen mehr, wenn Polen die Frage des Korridors nach Danzig und den Status der Freien Reichsstadt Danzig im Sinne des faschistischen Deutschlands klären würde. Zur gleichen Zeit lag der Angriffsplan der Wehrmacht, der „Fall Weiß“, fertig formuliert in den Schubladen des Generalkommandos.
Es sind diese Fakten, die wir gerade am 85. Jahrestag des Überfalls auf Polen betonen, um geschichtsrevisionistischen Behauptungen, der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt sei die Voraussetzung für den deutschen Überfall gewesen, zurückzuweisen. Selbst wenn solche Thesen seitens des Europäischen Parlaments am 19. September 2019, mit einem „Gedenktag gegen den Totalitarismus“ oder in Ansprachen von Politikern Polens und der Bundesrepublik Deutschlands immer wiederholt werden. Sie werden dadurch nicht wahr.
Marian Turski, Präsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, erklärte anlässlich des Gedenktages: „Mit all unseren Erfahrungen und Erinnerungen warnen wir als Überlebende der deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager gerade an diesem historischen 1. September davor, Rechtsextremisten und Nazis zu wählen, deren Ideologie Europa bereits in Krieg und Zerstörung getrieben hat.“
Erfreulich war die Tatsache, dass allein in Deutschland am vergangenen Wochenende in über 100 Orten Kundgebungen und andere demonstrative Aktionen zur Erinnerung an den Antikriegstag stattfanden. Es war jedoch nicht zu übersehen, dass die Teilnehmerzahlen und die Zahl junger Menschen deutlich hinter den Notwendigkeiten der heutigen Bedrohung des Friedens zurückblieben. „Frieden neu denken“ oder „friedensfähig statt kriegstüchtig“ waren die klaren Botschaften auf den Kundgebungen, für die von den prominenten Rednerinnen und Redner gute Argumente gebracht wurden. Sie weiter zu verbreiten, ist eine Aufgabe der Antifaschisten und der Friedensbewegung.
Die deutsche Regierung beschäftigte sich an diesem Tag stattdessen mit einer Verschärfung des Asylrechts. Man diskutierte an diesem Tag über einen neuen „Migrationspakt“, der die Lebensbedingungen von Flüchtlingen in der BRD verschlechtern, Menschen unter Pauschalverdacht stellen und Abschiebungen in Kriegsgebiet entgegen aller völkerrechtlichen Normen durchsetzen soll. Damit wolle man eine „Antwort auf die AfD“ geben, die an diesem Sonntag in zwei ostdeutschen Bundesländern erschreckende Wahlerfolge mit jeweils über 30% der Wählerstimmen feierten. Die AfD hatte nur zwei Themen: Die Bundesregierung müsse weg und Flüchtlinge müssten aus dem Land abgeschoben werden. Zur Landespolitik hatten sie nichts zu sagen. Dennoch wurden sie gewählt.
Mit Blick auf das Themas Frieden kann als positives Resultat genannt werden, dass zumindest eine Partei mit jeweils über 10% in die Länderparlamente einzog, die auf ihrer politischen Agenda stehen hat: „Keine Waffenlieferungen sondern Diplomatie“. Dieser Partei wurde nicht nur von den Medien daraufhin vorgeworfen, populistisch zu agieren, weil doch Krieg und Außenpolitik allein Sache der Bundesregierung und des Deutschen Bundestages sei. Die Wahl dieser Partei zeigt jedoch, dass die Menschen im Land sich nicht nur um lokale oder regionale Themen Sorgen machen, sondern auch um die friedliche Entwicklung in der Welt.
In diesem Sinne zeigte der „Antikriegstag“, wie er in Deutschland heißt, dass es ein Bedürfnis nach Friedens in der Bevölkerung gibt, selbst wenn die extreme Rechte noch immer in der Lage ist, ihre Themen in der gesellschaftlichen Debatte in den Vordergrund zu schieben.
Es ist eine Aufgabe der Antifaschisten, gemeinsam mit anderen gesellschaftlichen Kräften dafür zu sorgen, dass die tatsächlichen Probleme der Menschen, wie Bildung und Versorgung der Kinder, Gesundheit und soziale Sicherheit, öffentliche Versorgung, Arbeitsplätze und gerechte Wirtschaft in den Fokus gerückt werden. Dann kann auch die extreme Rechte zurückgedrängt werden – und das Thema Frieden wird wieder gehört.
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©IG Metall Frankfurt
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Quelle: FIR Newsletter 2024-36 dt.
International Federation of Resistants Fighters