Mitternachtsrufdes parlamentarischen Systems in Europa

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Berlin (Weltexpresso) - Es erfüllt uns mit Sorge, wie die Destabilisierung des parlamentarischen Systems in Europa voranschreitet. Es wird sichtbar, dass antidemokratisches Handeln – auch der politischen Eliten – dazu beiträgt, den politischen Einfluss der extremen Rechten in verschiedenen europäischen Ländern zu verstärken. Diese Destabilisierung ist auch ein Ergebnis der EU-Kommission und ihrer Gefolgsleute, die – entgegen aller parlamentarischen Regeln – massiven Einfluss auf Machtverhältnisse in den ihnen wichtigen Ländern nehmen. 

In Georgien versuchte die von der EU finanziell und politisch geförderte Oppositionsbewegung anlässlich der Kommunalwahlen vor wenigen Tagen – statt sich dem Wählervotum zu stellen – eine „Farbenrevolution“ zu starten. Am Abend der Auszählung stürmten in Tiblissi Anhänger zweier Oppositionsparteien den Präsidentenpalast. Was in Washington DC und in Brasilien zurecht als Terrorismus verurteilt wurde, fand Verständnis bei europäischen Politikern. Dass dieser Rechtsbruch von den Sicherheitskräften gestoppt wurde, gilt nun als „autoritäre Wende“ Georgiens, die durch Sanktionen beantwortet werden soll. 

In Moldawien wurde mit Verweis auf „russische Einflussnahme“ seitens der EU massiv in die letzten Parlamentswahlen eingegriffen. Mit aktiver Unterstützung der EU wurden zwei extrem rechte Parteien von der Wahl ausgeschlossen – jedoch nicht, weil ihre politische Agenda den Normen der EU widersprechen würden, sondern mit der Begründung, sie würden von Russland unterstützt. Dass die Präsidentenpartei die absolute Mehrheit der Abgeordneten erringen konnten, mag vielleicht die Brüsseler Administration beruhigen, es wird jedoch dazu führen, dass diese Regierung nur wenig Rückhalt in der Bevölkerung besitzt und extreme Rechte in dieses Vakuum stoßen können. 

In Serbien sind seit Monaten in den Metropolen zivilgesellschaftliche Bewegungen gegen Korruption und die Präsidentenpartei auf der Straße. Diese Proteste, die sich an den tödlichen Folgen von Korruption entzündeten, mögen berechtigt sein. Die massive – auch finanzielle – Einflussnahme der EU und ihrer Kanäle in diese Proteste führt dazu, dass in Serbien nationalistische und extrem rechte Kräfte und Parteien sich als „Verteidiger der nationalen Souveränität“ aufspielen und an Einfluss gewinnen. Die Konsequenz dieser in Serbien ist nicht eine Stärkung der Zivilgesellschaft, sondern ein Aufschwung der extremen Rechten, die es auch in diesem Land gibt. 

Die Tatsache, dass sich die slowakische Regierung unter Fico nicht der Linie von Ursula von der Leyen und der EU unterordnet, führt seit Monaten dazu, dass – unterstützt von der Brüsseler Administration – Demonstrationen in Bratislava stattfinden. Auf diese Weise setzen Parteien, die eine Unterordnung der Slowakei unter die Politik der EU erreichen wollen, die gegenwärtige Regierung unter Druck. Welche Auswirkungen das haben kann, zeigten die Parlamentswahlen in der tschechischen Republik vom letzten Wochenende, wo die politische Unterstützung der EU für die vorherige Regierung einen deutlichen Stimmenzuwachs für den Milliardär und Rechtspopulisten Babis erbrachte. Gegen diesen Rechtsruck war selbst das Bündnis linker Parteien nicht in der Lage, Mandate für das Landesparlament zu gewinnen. 
Das taktische Kalkül einer Regierungskrise beherrscht aber auch die extreme Rechte selber, wie das Beispiel Niederlande zeigt. Hier verließ die größte Koalitionspartei, die PVV von Gerd Wilders, aus „Protest“ gegen eine „zu liberale“ Migrationspolitik die Regierung, um Neuwahlen zu erzwingen, bei denen sie einen Zuwachs an Mandaten im Landesparlament erhofft.  

Und in Frankreich zeigt Präsident Macron, dass er nach dem erzwungenen Rücktritt des fünften Regierungschefs in den letzten knapp vier Jahren alles für seinen eigenen Machterhalt tut, einschließlich der Tolerierung des extrem rechten RN von Marine Le Pen, der nun zwei Vizepräsidenten der Nationalversammlung stellt. Noch ist nicht ausgemacht, ob Macron – im Sinne der Forderungen des RN – eine Neuwahl ausruft, aber klar ist, dass schon jetzt die extreme Rechte Gewinner dieser Destabilisierung des parlamentarischen Systems ist. 

Die politische Antwort auf diese dramatische Entwicklung in Europa müsste eigentlich darin bestehen, endlich wieder Politik im Interesse der arbeitenden Menschen, der sozialen Grundversorgung und einer Zukunftssicherung zu machen. Da jedoch die EU-Kommission ihre Politik der Militarisierung und der Subvention der Konzerne vorantreibt, steht zu befürchten, dass dem Vormarsch der extremen Rechten kein Widerstand entgegengestellt wird.

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Quelle: FIR Newsletter 2025-41 dt.
FIR: Fédération Internationale des Résistants, internationale Dachorganisation von Verbänden antifaschistischer Widerstandskämpfer