Über die Lage in Österreich und in Deutschland
Constanze Weinberg
München (WEltexpresso) - Ein Gespenst geht um in Europa, diesmal nicht das von Karl Marx beschworene, sondern das Gespenst des Rechtspopulismus. In Österreich wird es durch die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) verkörpert, bei uns in Deutschland durch die Alternative für Deutschland (AfD). Seit die Partei auf Anhieb in die Landtage von Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt eingezogen ist, herrscht Panik, rätseln CDU/CSU und SPD über den richtigen Umgang mit dem rechtsgestrickten Kontrahenten.
Als erste rief die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit der AfD auf, und zwar, wie sie sagte, „ohne jeden Schaum vor dem Mund und ohne Pauschalurteile“. Der stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Olaf Scholz, empfahl seiner Partei, die AfD nicht zu dämonisieren. „Solange sie nur rechtspopulistisch ist, sollten wir sie nicht als Nazis bezeichnen.“
Die Situation ist nicht neu. Ähnliches spielte sich ab, als die 1964 gegründete rechtsradikale Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) in die Landtage von Bayern, Hessen, Bremen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Schleswig-Holstein einzog. Allerdings plapperte die SPD damals nicht nach, was die CDU für richtig hielt, sondern sagte den Rechten den Kampf an. Aus den Reihen der CDU hieß es auf die NPD bezogen: „Was die an nationalen Anliegen und konservativem Gedankengut haben, das praktizieren wir ja täglich“, so ihr Bundestagsabgeordneter Dr. Josef Stecker. Der Vorsitzende der Freien Demokraten, Walter Scheel, wandte sich dagegen, den Rechtsradikalen das Wasser dadurch abzugraben, dass man ihre Propagandathesen übernehme, wie das Politiker in gewissen anderen Parteien täten. In der Wochenzeitschrift „Der Volkswirt“ vom 27. September 1968 schrieb Scheel: „Diese Politiker versuchen – und darin sehe ich eine ebenso große Gefahr wie in der NPD – in zunehmendem Maße, den nationalen Phrasendreschern beim Wähler durch Imitation der Methoden den Rang abzulaufen.“
Ganz anders ließ sich das Organ der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände, „der arbeitgeber“, vernehmen, dessen Chefredakteur Dr. Jürgen Heinrichsbauer in der Ausgabe vom 20. 4. 1966 die Wahlerfolge der Nationaldemokraten mit den Worten kommentierte, die NPD sei „fast über Nacht . . . zur Hoffnung der Nationalkonservativen, . . . zum Hecht im Karpfenteich geworden.“ Die anderen Parteien hätten es bis jetzt nicht für nötig gehalten, den bundesrepublikanischen Wirtschaftswunder-Wähler „in geziemender Form darauf vorzubereiten, dass die nationale Frage eines Tages virulent werden würde. Nach allem, was aus Franken, Hamburg und anderen deutschen Landen (über die Erfolge der NPD, d.V.) zu hören ist, scheint dieser Tag gekommen zu sein. Wir halten das nicht von vornherein für ein Unglück.“ Ähnlich äußerte sich der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß. In einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk sagte er: „Was wir heute an Reaktion in der Öffentlichkeit zugunsten der NPD erleben, das ist die Antwort auf die jahrelange Methode, alles, was deutsch ist und was national heißt, in den Dreck zu ziehen.“
Ein halbes Jahrhundert später denken viele anscheinend immer noch so, wie sich Jürgen Heinrichsbauer namens der deutschen Arbeitgeber und Franz Josef Strauß namens der Christlich Sozialen Union geäußert haben. Der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie, Ulrich Grillo, kann den Erfolgen der AfD durchaus etwas Positives abgewinnen. Wie er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 21. April 2016 sagte, sieht er in den Erfolgen einen „Weckruf an die etablierten Parteien“, auch wenn er ansonsten „keinen Gefallen“ an der Alternative für Deutschland finden könne. Der Erfolg der AfD schade der Industrie nicht, schrieb die Zeitschrift „Produktion – Technik und Wirtschaft für die deutsche Industrie“ (Ausgabe 29. März 2016) zu Befürchtungen, das Erstarken der AfD könne Investoren abschrecken und die Weltoffenheit Deutschlands gefährden. Bei einer Umfrage hätten drei Viertel der Leser auf die Frage, ob die Erfolge der AfD die deutsche Industrie gefährdeten, mit „Nein“ geantwortet. Der Fernsehsender n-tv zitierte den leitenden Fondsmanager bei Sal. Oppenheimer, Lars Edler, mit den Worten, Investoren wählten ihre Standorte nichts aus dem Bauch heraus. Unternehmen brauchten ein stabiles Umfeld, „ob nun mit oder ohne AfD im Bundestag und in den Landtagen“.
Das Bett für eine Zusammenarbeit mit der Alternative für Deutschland wird also schon vorbereitet, falls es nach der nächsten Bundestagswahl für die CDU/CSU auch mit den Grünen nicht für eine Mehrheit für das bürgerliche Lager reichen sollte.