Vom Sachwalter der Entrechteten zur Avantgarde einer neuen Weltordnung
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Während Gregor Gysi die LINKE derzeit für „saft- und kraftlos“ hält, präsentiert sich die Partei, die sich im Bundestag am eindeutigsten zur ihrer Rolle als Opposition und als faktische Alternative zum Mainstream bekennt, irritierend harmoniesüchtig.
Dadurch belegt sie, dass ihr ehemaliger Fraktionsvorsitzender vermutlich Recht hat mit seiner Skepsis. Und dass es an der Zeit ist, elementare linke Positionen in genuiner Weise fortzuschreiben, um dadurch für heilsame Unruhe in der Gesellschaft zu sorgen. Denn deren Widersprüche schreien immer lauter zum Himmel, können aber nur im Hier und Jetzt gelöst werden. Symptome dieser unheilvollen Entwicklungen sind die Ströme von Menschen, die aus dem Elend in ihren Heimatländern flüchten.
Die LINKE muss an ihrer humanitären Haltung in der Flüchtlingsfrage festhalten und darf sie in keinem Punkt infrage stellen, trotz Wählerabwanderung nach rechts. Aber sie sollte auch deutlich fordern, dass die Kosten für Unterbringung und Integration überwiegend von den Verursachern dieser Katastrophe getragen werden müssen - und nicht vom normalen deutschen Einkommensteuerzahler. Denn nennenswerte Teile der deutschen Wirtschaft machen profitable Geschäfte mit jenen Regimen, die den Nahen und Mittleren Osten mit Krieg und Terror überziehen. Und ebenso wären die USA an die Kasse zu zitieren. Schließlich zählen die US-Kriege im Irak und in Afghanistan zu den Hauptursachen der gegenwärtigen Misere.
Exakt von diesen Hintergründen lenken selbsternannten Volksbeglücker wie die AfD bewusst ab. Sie können auch nicht anders; schließlich sind sie die fünfte Kolonne eines Raubtier-Kapitalismus, den sie mit keinem Wort infrage stellen. Im Gegenteil: Sie wollen sogar die verbliebenen Reste des Sozialstaats (wie Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung) privatisieren und dadurch abschaffen.
Die SPD traut sich derzeit nicht, die Verursacher der länderübergreifenden Not der Flüchtlinge an den Pranger zu stellen und einen Zahlungsbefehl durchzusetzen. Und von CDU/CSU sowie FDP ist die Vertretung legitimer deutscher Interessen ohnehin nicht zu erwarten. Ihr „Pro Patria“ erschöpft sich in der Sicherung jenes individuellen Reichtums, der zu Lasten anderer erworben wurde. Die Grünen hingegen tendieren zu einer Betroffenheitskultur, die durch das Beklagen der Zustände ohne echten Willen zur Veränderung gekennzeichnet ist.
Die LINKE könnte und müsste dort zusätzliches Profil zu gewinnen versuchen, wo die SPD ihres kampflos aufgegeben hat. Nämlich bei den Intellektuellen. Solange ich mich erinnern kann, haben Schriftsteller und Künstler dazu aufgerufen, die SPD zu wählen. Die hat sich das gefallen lassen, aber nie daran gedacht, die Ideen aus dem Kultursektor ernsthaft zu ihren eigenen zu machen; gelegentliche Ausnahmen bestätigen die Regel.
Die Probleme der Welt, die Deutschland längst erreicht haben, schreien nach einer sozialen Alternative. Es geht längst nicht mehr um das kleine Nein im Kontext des großen Ja, sondern um das große Nein, auch wenn das eine und andere bewahrbar erscheint.
Info:
Klaus Steinitz
Chancen für eine alternative Entwicklung
Linke Wirtschaftspolitik heute
VSA Verlag
978-3-89965-132-4