Anmerkungen zum Coming Out eines populären Populisten bei ANNE WILL am 5. Juni 2016
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Der AfD-Vizevorsitzende Alexander Gauland offenbarte am Sonntagabend bei ANNE WILL, dass er ganz offensichtlich von politischer Demenz gezeichnet ist.
Auch wenn man sich die anderen Führungskräfte dieser so genannten Partei in Erinnerung ruft (z.B. Frauke Petry, Beatrix von Storch oder Jörg Meuthen), so fragt man sich als kritischer Beobachter längst, ob diese Persönlichkeitsstörung, die mit einer gefährlichen Neigung zu Fremdenfeindlichkeit und Rassismus einhergeht, nicht sogar die Eintrittsvoraussetzung zur AfD darstellt.
Gauland jedenfalls urteilt über Personen, die ihm angeblich nicht bekannt seien (Beispiel Boateng) und auf deren Bedeutung ihn die Journalisten (mutmaßlich die der „Lügenpresse“) selbstverständlich nicht hingewiesen hätten. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass er sich selbst als einen senilen Politpensionär betrachtet, der einen Rechtsanspruch habe auf aufklärende Hintergrundinformation. Stattdessen locke man ihn ständig in Fallgruben, weil man ihn mit Äußerungen konfrontiere, die er gar nicht gemacht habe. Vielmehr zitiere er lediglich hin und wieder originelle Aussprüche anderer, ohne sie dadurch zu seinen eigenen zu machen.
Bei dieser Relativierungsrabulistik erhielt er in gewissem Umfang Unterstützung von Werner Patzelt, dem Dresdener Politologen. Der hatte gegenüber dem „Berliner Tagesspiegel“ im Oktober 2015 beklagt, dass Pegida-Teilnehmer pauschal beschimpft und kriminalisiert würden. Die „Amadeu Antonio Stiftung“ unterstellte ihm bereits im Juni 2015 eine ständige Verharmlosung von Pegida.
Patzelt empfahl 2004 der CDU, deren Mitglied er ist, Parolen der NPD zu übernehmen, um damit selbst den rechten Rand zu besetzen. Unterstützt wurde er damals durch seinen Kollegen Eckhard Jesse. Der war Gutachter im ersten und gescheiterten NPD-Verbotsverfahren und hatte in seiner Expertise die rechtradikale Partei für bedeutungslos erklärt.
Bundesjustizminister Heiko Maas kommentierte Gaulands Mischung aus vorgeblichem Nichtwissen und gezielter Provokation sehr geschickt und überzeugend. Allerdings ließ auch er sich aufs Glatteis führen. Denn ob die Bundesrepublik ab Mitte des nächsten Jahrzehnts tatsächlich auf eine hohe Zuwanderung angewiesen sein wird, wie von der deutschen Wirtschaft aus Gründen der Lohnminimierung und der Flexibilisierung des Arbeitskräftemarkts an die Wand gemalt, lässt sich nicht beweisen. Die ungebrochene Entwicklung der Produktivität erlaubt auch andere und völlig gegenteilige Prognosen.
Der Maßstab für die Aufnahmebereitschaft von Flüchtlingen kann letztlich nur die Humanität sein, die im Grundgesetz verankert ist. Die Migrationsforscherin Bilgin Ayata hat das indirekt unterstrichen durch ihre Hinweise auf die Leitkulturdebatte, die vom damaligen CDU-Abgeordneten Friedrich Merz im Oktober 2000 entfacht worden war, also lange vor Pegida und dem Flüchtlingsstrom, und durch ihre Nachfrage an Gauland, ob und wann er sich gegenüber seinen politischen Freunden vehement gegen das Anzünden von Flüchtlingsheimen ausgesprochen habe. Die Antwort wurde ihm durch Anne Will erlassen, die die Sendung zu Ende bringen wollte - möglicherweise, um keinen Schlusseklat mit Langzeitwirkung auszulösen.
Foto: aus der Sendung