Zum Besuch des Papstes in Auschwitz

Kurt Nelhiebel

Bremen (Weltexpresso) - Es ist ein Bild, das die Zeit überdauern wird, wie das Bild, auf dem Willy Brandt in Warschau vor dem Denkmal für die Opfer des Getto-Aufstandes kniet: Papst Franziskus  schweigend in  der Todeszelle des Franziskanerpaters Maximilian Kolbe. Millionen Menschen waren einst gerührt von der Geste der Demut des deutschen Bundeskanzlers, so wie sie jetzt gerührt sind von dem Satz des Papstes, er wolle Auschwitz „in Schweigen, stillem Gebet und – und so Gott mir die Gnade der Tränen gibt – weinend“  besuchen.


„Immer wieder bin ich gefragt worden, was es mit dieser Geste auf sich gehabt habe“, schreibt Willy Brandt in seinen Erinnerungen. Seine Antwort knapp zwanzig Jahre später: „Am Abgrund der deutschen Geschichte tat ich, was Menschen tun, wenn die Sprache versagt.“  Papst Franziskus hatte sich das Schweigen von vornherein auferlegt. Er küsste den Betonboden der düsteren Zelle, in der Maximilian Kolbe starb, und schrieb in das Gästebuch: „Herr, erbarme dich deines Volkes, Herr, vergib so viel Grausamkeit.“

Was hatte der Franziskanerpater „verbrochen“, dass er als politischer Häftling nach Auschwitz geriet?  Die Gestapo, deutsche Geheimpolizei, hatte ihn zweimal festgenommen, weil er Verfolgten Zuflucht gewährte. Als die SS-Wachmannschaft am 31. Juli 1941 einen Häftling vermisste, wählte sie willkürlich zehn Häftlinge aus, die zur Strafe  im berüchtigten Block 11des Stammlagers verhungern und verdursten sollten. Verzweifelt flehte einer von ihnen um Gnade für sich, seine Frau und seine beiden Kinder. Aber die SS-Leute blieben hart. Da erbot sich Maximilian Kolbe, an seiner Stelle in den Todesbunker zu gehen.

Dort betete er mit den Opfern und sprach ihnen Mut zu. Nach zwei Wochen lebten nur noch vier Gefangene, darunter Maximilian Kolbe. Sie wurden durch eine Injektion mit giftigem Phenol in den Herzmuskel ermordet, eine in Auschwitz übliche Methode, kranke und nicht mehr arbeitsfähige Lagerinsassen zu töten. Einen der so genannten „Phenolspezialisten“ habe ich im Frankfurter Auschwitz-Prozess als Angeklagten erlebt: Den SS-Sanitäter Josef Klehr. Auch nach so langer Zeit kam  kein menschliches Wort über seine Lippen, weder ein Wort des Bedauerns über sein damaliges Verhalten, noch ein Wort des Mitleids mit den Opfern. Wegen Mordes in mindestens 475 Fällen wurde er zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt.

Das Aberwitzige des Verbrechens, das an den zehn Menschen begangenen wurde, die wegen der vermeintlichen Flucht eines Mitgefangenen sterben mussten, zeigte sich im Nachhinein: Der vermisste Häftling war überhaupt nicht geflohen, sondern irgendwo im Lager gestorben, ohne dass seine Leiche gleich entdeckt wurde. Der polnische Familienvater Franciszek Gajowniczek, für den Maximilian Kolbe in den Tod gegangen ist, überlebte Auschwitz. Er nahm 1982 an der Zeremonie zur Heiligsprechung des Franziskanerpaters als Märtyrer durch Papst Johannes Paul II. teil.  

Am Portal der Westminster Abbey in London  wurde Maximilian Kolbe in die Reihe der zehn Märtyrer des 20. Jahrhunderts aufgenommen. Einige Schulen tragen in Deutschland seinen Namen. Rolf Hochhuth widmete ihm sein Drama „Der Stellvertreter“, in dem es um die Mitschuld der katholischen Kirche an den Naziverbrechen geht.  Im kollektiven Gedächtnis der Deutschen spielt Maximilian Kolbe, der einen deutschen Vater hatte, keine Rolle, es sei denn, das Bild des betenden Papstes Franziskus in der Auschwitzer Todeszelle seines Glaubensbruders änderte etwas daran.

 

Foto: Maximilian Kolbe kurz vor seiner Verhaftung (c) Ökumenisches Heiligenlexikon

 

Info:

Teilabdruck aus dem Ökumenischen Heiligenlexikon

Maximilian Maria Kolbe
Taufname: Rajmund

Gedenktag katholisch: 14. August
gebotener Gedenktag
Hochfest im Bistum Bielsko-Żywiec
Fest bei den Franziskaner-Minoriten
Regionalkalender deutsches Sprachgebiet, Diözesankalender von Elbląg / Elbing und Koszalin-Kołobrzeg / Köslin-Kolberg, Ordenskalender der Franziskaner-Observanten und der Kapuziner
gebotener Gedenktag im Erzbistum Gdańsk / Danzig: 12. Januar
gebotener Gedenktag im Bistum Fulda und im Erzbistum Mailand: 17. August

Gedenktag evangelisch: 14. August (ELCA)

Gedenktag anglikanisch: 14. August

Name bedeutet: Max: der Größte und: aus dem Geschlecht der Ämilier (latein.)
Mar: die Beleibte/die Schöne/die Bittere/ die von Gott Geliebte (aramäisch)
R: Rat und Schutz (althochdt.)

Ordensmann, Priester, Märtyrer
* 7. Januar 1894 in Zduńska Wola bei Lódz in Polen
† 14. August 1941 in Auschwitz, heute Oświęcim in Polen

Rajmund Kolbe, Sohn eines Webers, wurde von seiner Mutter mit Härte und in unbedingter Frömmigkeit erzogen. Er besuchte ab 1907 zusammen mit seinem älteren Bruder die Schule der Franziskaner in Lemberg - dem heutigen L'viv - und trat im Alter von 17 Jahren unter dem Namen Maximilian Maria dem Orden bei. Er konnte ab 1912 in Rom an der Päpstlichen Universität Gregoriana studieren und schon 1915 in Philosophie, 1919 in Theologie promovieren. Kolbe war von besonderer Verehrung der Unbefleckten Empfängnis Mariä geprägt; 1920 schrieb er, dass er "Werkzeug und Eigentum, absolutes, unbedingtes, unbegrenztes, unwiderrufliches Eigentum der Unbefleckten" sein wolle; "ich vermag alles in dem, der mich stark macht durch die Unbefleckte". Als er als Student in Rom auf der Straße junge Männer über Maria lästern hörte, stellte er diese wegen Beleidigung seiner "Mama" zur Rede. Weil er die Wichtigkeit der missionarischen Arbeit erkannte, gründete er 1917 - unter dem Eindruck der antiklerikalen Gedenkfeier freidenkender Kreise für den Philosophen Giordano Bruno - zusammen mit sechs Mitbrüdern seines Ordens in Rom die "Militia Immaculatae", die "Miliz der Unbefleckten Empfängnis", als Gebetsgemeinschaft "für die Bekehrung der Sünder und Häretiker, für die Heimholung der Schismatiker und der Juden, besonders aber für die Bekehrung der Freimaurer".

1918 wurde Maximilian Maria Kolbe zum Priester geweiht. Für sein Leben als Priester wählte er zwei Leitworte: "Soweit wie möglich heilig sein" und "die ganze Welt der Makellosen unterwerfen". 1919 kehrte er nach Polen zurück als Lehrer für Philosophie und Kirchengeschichte am Priesterseminar der Franziskaner in Krakau; daneben widmete er sich der publizistischen Arbeit und veröffentliche im Rundfunk. 1919 erlitt der seit Kinderzeiten Lungenkranke einen schweren Tuberkulose-Anfall; im Sanatorium in Zakopane wurde er zum "Engel der Kranken"; nach über einem Jahr konnte er nach Krakau zurückkehren.

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