Eine schnelle Antwort auf Alexander Martin Pflegers Nolte-Nachruf
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Alexander Martin Pfleger scheint Ernst Noltes Thesen nach wie vor für zumindest plausibel, wenn nicht für zutreffend zu halten.
Nolte war überzeugt davon, dass der Nationalsozialismus eine bewusste Reaktion auf den russischen Bolschewismus und folglich auch auf den Marxismus gewesen war. Zu solchem abwegigen Ergebnis gelangt man eigentlich nur, wenn man alles, wirklich alles, was zu bewerten die notwendige Pflicht eines Historikers und politisch Denkenden ist, ausklammert. Wenn man einer fixen Idee folgt und krampfhaft Beweise für deren Richtigkeit zu sammeln versucht, schließlich aber erfolglos bleibt, erfolglos bleiben muss.
Denn die Elemente des Nationalsozialismus waren (und sie sind es in Gestalt der Neonazi-Bewegungen nach wie vor) imperialistischer (globaler) Kapitalismus, Rassismus, speziell Antisemitismus, und revanchistischer Nationalismus, die in einem autoritären, undemokratischen Staat vereinigt sind. Dieser ideologische Fanatismus ist älter als Lenins Revolution, älter als Stalins „Säuberungen“ und der Versuch, verwandtschaftliche Beziehungen zueinander herzustellen, ist zum Scheitern verurteilt. Und es gibt noch nicht einmal ansatzweise eine Vergleichsebene zum Marxismus, der sich in der Tradition der klassischen deutschen Philosophie sieht und dessen politische Programme Befreiung und Solidarität beinhalten. Ob der russische Sowjet-Kommunismus marxistisch war, wurde bereits von Rosa Luxemburg in ihrem Disput mit Lenin zumindest partiell in Frage gestellt. Eine Skepsis, die auch angesichts späterer sich als sozialistisch bezeichnender Modelle angebracht war und ist. Lenins Modell für die innere Organisation des nachrevolutionären Staats war bekanntlich die kaiserliche deutsche Reichspost. Und die Ideen vom völkischen Staat als dem historisch notwendigen Ziel deutscher Geschichte lässt sich bereits zwischen 1905 und 1917 in den rassistischen Ostara-Heften des Österreichers Jörg Lanz von Liebenfels nachlesen. Auch Adolf Hitler soll diese Postille konsumiert haben.
AMP zitiert Noltes Mutmaßung hinsichtlich nicht stattgefundener Handlungen des frühen NS-Mannes Scheubner-Richter, der von ihm als Mann von Charakter eingestuft wird. Was dieser getan oder unterlassen hätte anstelle von Alfred Rosenberg ist völlig unerheblich. Denn er hat 1933 und später nicht mehr gelebt. Ein Historiker ist an die Tatsachenlage gebunden, andernfalls würde er zum historisierenden Phantasten. Entlarvend ist dabei, dass Nolte sogar in seiner Hypothese von besetzten Ostgebieten, also von einem NS-Eroberungskrieg, ausging. Diesen hatte wohl keiner der systemrelevanten Paladine verhindern wollen. Denn das Volk war nach NS-Lesart eines ohne Raum. Auch diese Begehrlichkeiten finden keine Entsprechungen im Marxismus, der vom Internationalismus, also der rechtlichen Gleichheit und der Geschwisterlichkeit aller Nationen, geprägt ist.
Ernst Nolte fehlte intellektuelle Redlichkeit und in deren Folge ging ihm das notwendige Grundverständnis eines Historikers zusehends verloren. Der von ihm entfachte Historikerstreit war der kleinbürgerliche Protest eines intellektuellen Winzlings, der im Wissenschaftsbetrieb zu kurz gekommenen war. Er war, nachdem er seine geistige Unbeweglichkeit bei jeder Gelegenheit dokumentierte, nicht der Mühe des Nachdenkens über ihn sowie der Diskussion mit ihm wert. Auch sein Tod ändert daran nichts. Mehr als Empörung ist nach wie vor nicht angebracht.
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