Der Dank der Stadt Frankfurt an die Helferinnen und Helfer war eine Geste an die ausgeglichene Gesellschaft des Ehrenamts
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die ehrenamtliche Betreuung hebt sich von den schwachmatischen Aufgeregtheiten ab, die in diesen Zeiten milieuübergreifend vor sich gehen. Die einen bewegen sich in bedenklichen Konstrukten andauernder Selbstanfechtung und Bedenklichkeit, während die anderen anpacken.
Ein wiederaufgelebtes Nachkriegs-Spießertum - gegen Flüchtlinge gerichtet – hat eine neue Konjunktur erlangt. Werden wir dereinst nicht auch noch zu Flüchtlingen?
Die Linke und die SPD ließen sich herab, AfD und CSU nachzuäffen. Eine politsprachlich deformierte Linke bekam ihr Fett weg, weil sie fern der Praxis der alltäglichen Menschlichkeit sich zu präsentieren begann. Die SPD hat in Mecklenburg-Vorpommern gerade nochmal die Kurve gekriegt, indem sie sich neo-sozialpolitisch zu re-kreieren versuchte.
Die Dankeschön-Feier der Stadt Frankfurt am vergangenen Sonntag im HR-Sendesaal für die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer der Flüchtlingsbetreuung hob sich wohltuend ab von dem Unrat, der sich mit der Diskussion über Flüchtlinge mittlerweile verbindet. Die Linke hat sich in Teilen einen Bärendienst erwiesen, als sie mit einer linken AfD-Nummer versuchte, den rechten Rand in ihren Reihen zu bedienen und bei Laune zu halten. Die SPD hat sich aber nicht viel anders verhalten.
Dass Ansagen an Geflüchtete in Bezug auf die Nichtrevidierbarkeit unserer demokratischen Lebensart angebracht sind, ist unbestreitbar. Jetzt muss es aber vor allem ans tätige staatliche Helfen und Integrieren gehen, wo noch nicht geschehen.
Im zweijährigen Turnus
Der Dank der Stadt Frankfurt ans ehrenamtliche Engagement findet alle zwei Jahre statt. Das passt, denn im September dieses Jahres jährt sich zum 12. des Monats jene schwere Aufgabenstellung, die damit einherging, dass punkt 9 Uhr früh der Hessische Innenminister für Frankfurt 1000 Betten innerhalb von 48 Stunden als Anforderung stellte. Dieses Bereitstellen und das ehrenamtliche Engagement funktionierten. Das ‚Wir schaffen das‘ wurde in Frankfurt, der alten Stadt der Mäzene, schon immer vertreten. Frankfurter schaffen das, denn hier ist Leben.
Frankfurt hat aktuell 4500 zugewiesene Flüchtlinge in Übergangsunterkünften und 550 unbegleitete Kinder und Jugendliche, die in Wohngruppen und speziellen Einrichtungen wenigstens bis zur Volljährigkeit betreut werden. Stadträtin Daniela Birkenfeld, die eine überzeugende und von Achtung für das menschliche Drama geprägte Rede hielt, rechnet nicht damit, dass die Wanderbewegungen in der Welt abrupt nachlassen werden.
Viele haben sich erstmalig engagiert. Am Hauptbahnhof ging´s los, es wechselte in Sporthallen, ging in die Kinderbetreuung, die Kleiderkammer, in den Sprach- und Integrationskreis. Mentoren begleiteten und begleiten zu Behördengängen. Es war ein Hinbekommen ohne das große Geräusch (Lamento). Es kam zu Verbindungen von Mensch zu Mensch, die 1 : 1-Zuwendung war angefragt, ein Mensch, der zugreift und hilft. So viele haben sich gestellt und angepackt, im Verein, in Verbänden, in Kirchengemeinden und Ortsgruppen wurde für die Aufgaben angeworben.
In den vielen Momenten der Begegnung schimmerten in Berichten und Erzählungen die Schicksale durch, die furchtbaren Erfahrungen von Abschied, Trauer und die Klage über die Daheimgebliebenen, denen das Mitkommen verwehrt oder unmöglich war. Unter die Haut ging die Zuwendung zu Kindern, die ohne Eltern gekommen waren, die unter unvorstellbaren Fluchtbedingungen und Grausamkeiten sich ihren Weg in eine unberechenbare Fremde suchen mussten. Macht das etwa Spaß?
Frankfurt Babel – ein Auszug aus dem Projekt mit dem Jugendclub des Jungen Schauspiels Frankfurt
Eine gelungene Leistung lieferten diese Jugendlichen unterschiedlicher Geschichte. Wer seine Einsätze und Wortbeiträge so auf den rechten Moment hin abliefert und so professionell an das Publikum zu richten fähig ist, kann auch in einer gewerbe-betrieblichen Gesellschaft reüssieren. Oft wurde zwischen Sprachen gewechselt.
Die Legende vom Turmbau zu Babel traf das Thema auf den Punkt. Denn zu jener Zeit war schon Verwirrung ausgebrochen als Gott, der Herr, entschied, die Sprache zu verwirren, um durch göttliche Intervention gegen die zu mächtig und unangenehm gewordene Menschheit vorzugehen. Die Aufführung bot junges Schauspiel mit Flüchtlingen. Die Einzelnen zeichneten mit Kreide die Orte, von denen ihr Leben seinen Ausgang nahm, auf Tafeln am Boden, die dann zusammengesetzt an die Rückwand der Bühne geworfen wurden. Knäuel von Beziehungen taten sich auf in den Kreidezeichnungen, die wie auf Pflaster gekritzelt erschienen. Später schleppten sie Tafeln auf dem Bühnenboden herum, die einzeln besagten, woher sie kommen.
So viele Facetten und Varietäten des Lebens in Migrationen wurden aufgeblendet: Geflüchteter Vater, der Familie nachgeholt hat; Mutter Tschechin, Vater Marokkaner; in der Türkei geboren, mit zwei Jahren nach Deutschland gekommen - ‚fühle mich mehr als Deutsche‘ -; als Tochter eines Kurden geboren, der Asyl beantragte, weil er nicht in der Armee dienen wollte; Eltern beide griechisch – ‚Griechenland ist wie eine Verheißung, vielleicht könnte ich dort doch einmal leben‘. Übrigens: Vielsprachigkeit ist nicht nur auf dieser Bühne Fakt, auch zuzeiten Goethes lief sie ganz entspannt über die Bühne, ohne dass eine Nation bereits in den Nationalitätenwahn wechselte.
Trost kam mit der Ansage: ‚Es hat allerlei Welten, aber eine Zunge und Sprache‘, gleichsam als untere, verlorene Sprachebene. Aber was hilft es, der Name eines Jungen darf nicht fallen, eine Drohung reicht von Afghanistan bis hierher. Es hieß auch: in Griechenland beleidigt, tätlich angegangen, beschimpft von Nazis. Das Ausnehmende, das in jedem Fall tröstet, ist die Musik. Sie verbindet Geflüchtete, die sich aus vielen Nationen eingefunden haben, ohne irgendeine Sprachbarriere. Ja, Musik verbindet am meisten, Musikerinnen und Musiker verstehen sich unvermittelt; nicht die hohe Politik verändert, allein die Musik ist die am meisten Integrierende.
Musik schlägt Brücken mit ‚Bridges‘ und dem Ensemble ‚Hope‘
Das Ensemble eröffnete den Nachmittag und beschloss ihn. Es hatte schon am 19. April im hr-Sendesaal sein erstes Konzert gegeben. Es verbindet Kontinente. Das Projekt nimmt sich vor, den verstreuten Musikerinnen und Musikern die Möglichkeit zu geben, sich eine neue musikalische Existenz aufzubauen. Dazu werden Stücke unterschiedlicher Stilrichtungen und Kulturkreise auf heimischen Instrumenten im Ensemble gespielt.
P.S. Nachsatz: Thea Dorn fordert die Linke auf, sich der Tatsache der Flucht zu stellen.
Weltweit sind 50 Millionen Kinder auf der Flucht (lt. UNICEF-Bericht).
http://www.tagesschau.de/ausland/unicef-kinderflucht-101.html
Foto: (c) Heinz Markert
Info:
Dankeschön-Feier der Stadt Frankfurt für die freiwilligen Helfer der Flüchtlingsbetreuung · Hessischer Rundfunk, 60320 Frankfurt, Bertramstraße 8, Sonntag 04.09.2016, im Sendesaal; mit anschließendem Büffet.
www.frankfurt-hilft.de