Großdemo für einen Welthandel der fairen Regeln und Gesetze zum Schutz des Individuums


Heinz Markert


Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Es geistern Leute durch die Welt, denen TTIP und CETA noch wenig sagt. Was sind das für Leute, in welchem abgeschotteten Milieu leben sie, sind sie so saturiert, dass sie sich nicht zu informieren brauchen?

Dass mit TTIP Standards im Verbraucher- und Umweltschutz, in Bezug auf Arbeit und Soziales in größter Gefahr sind und die Parallelgerichtsbarkeit einer neu konstruierten vierten Gewalt die nationalen Parlamente aushebelt ist x-mal in Nachrichten und Magazinen behandelt worden. Mit dereguliertem Freihandel stehen Ungetüme wie Bayer/Monsanto in den Startlöchern, um sich - wie in diesem Fall - die Welternährung zu unterwerfen. Die selbständigen Landwirte sind ein Auslaufmodell.


Die Demo gegen TTIP, CETA und TISA am 17.09.2016 in Frankfurt am Main war gegen die allergrößte Gefahr angetreten: OB Feldmann, der das Problem auf der Abschlusskundgebung in lebendiger Sprechweise anging und damit auf den Punkt brachte, wies darauf hin, dass unter anderem Hedgefonds - kreditgehebelte Wettbuden / wobei der Finanzsektor zu 90 Prozent Wettbude ist - sich über die Daseinsvorsorge hermachen werden, um den Gemeinwirtschaftsgedanken auszuhebeln, so dass ‚U-Bahnen aus den Gleisen hüpfen‘ und ‚Coca-Cola sich an der Londoner Trinkwasserversorgung dumm und dämlich verdient‘.


Erfrischend war, dass zur Großdemo gegen die Macht der multinationalen Konzerne Biobauern gekommen waren und die großen Landmaschinen endlich mal einen guten Zweck erfüllten, während sie sonst den Mutterboden – für lange Zeiträume – schädlich verpressen. Bedenkt: den Agrarmultis ist die Bekämpfung des Welthungers schnuppe, ihnen geht es um Gewinnmaximierung und schleichende Knebelung der Landwirt*innen, die sie zu Angestellten ihres Agrarimperialismus machen werden.

 


Menschliche Lebenswelt gegen anonyme Großgebilde


Bei aller Liebe für die Sache, im Vorfeld verschickt Attac – wie so manch andere der sich sorgenden Zusammenschlüsse - zu viel an Kampagnen-Material, so dass einem der Kopf schwirrt. Worte gleichen sich zu sehr, vieles wiederholt sich bis zum Exzess. Besser wären Erzählungen und aufklärende Beispiele aus der Lebenswelt als Beleg für immer feindlichere Lebensumstände, um den großen Bund der Freiheitsbewegten in Gang zu halten, sofern er noch zu sehr in Kammern ausharrt. Die Abschlusskundgebung lieferte erst die lebendigen Beiträge.


Es gibt so viele Beispiele aus dem Alltagsleben, die selbstsprechend sind, indem unter anderem immer mehr große Kreuzungen in Übergangsgebieten gebaut werden, an denen Fußgängerüberwege gleich weglassen sind. Straßen werden gebaut, um der Dominanz des Autos vor den körperbewegten Fahrzeugen Vorschub zu leisten. Das Wirtschaftsinteresse dominiert im Verkehrssektor jede Alternative. Landschaften werden brutal durchschnitten, umförmig gemacht, so dass Orientierung an natürlichen Gegebenheiten kaum mehr möglich ist. Eine Zerstörung dehnt sich aus. Dabei ist eine lebenswerte Umwelt der allergrößte Produktivitätsfaktor, noch vor den Großgebilden der Wirtschaft.

 


Bitte weniger graue Theorie


Es gibt eine Überorganisiererei der Macher und von Bewegten mit Tischen, auf denen dünnsprachliches Material harrt, von dem der wesentliche Inhalt längst die Runde macht. Es kommt zu Überforderungen. Am besten wäre es, wenn der Protestwurm sich bald losbewegte und nicht immer alles nochmal bis zum Überdruß abgespult würde. Hin und wieder liefert Attac in seinen Rundbriefen auch mal ein gelungenes Elaborat in alternativem Politsprech. Der Politik-Sermon aber ist eine große Barriere für die frustrierte einsame Masse, die sie davon abhält, sich in die Bewegung einzureihen. Besser als die vielen kleinen Sprüchlein auf Pappflächen wäre eine geringere Anzahl an Sprüchen mit zentraler Ansage.

Der Demo-Wurm war diesmal eher schwierig mit dumpfen Rhythmen, die alle paar Meter von mobilen Soundmaschinen ausgingen. Die Quellen haben sich überlagert. Keine Chance, zu entgehen. Unter Occupy und Blockupy war die Musik lustvoller, nach Art einer Neuen Deutschen Welle - reloaded. Damals war auch mehr artistisches und künstlerisches Volk unterwegs, das aber bei Hardcore-Themen wegbleibt. Occupys Mangel war: es hatte keine Forderungen. Ulrike Herrmann hat darauf in ihrem Buch ‚Der Sieg des Kapitals‘ hingewiesen.

Die Reden vor der Demo nervten, waren zeitraubend, auch wenn alles stimmte, was gesagt wurde. Es kam erheblich zum Zeitverzug. Demonstrant*innen brauchen von Kampagnenmachern nicht ausgedehnt wortreich in Beschlag genommen und über die Gebühr beschallt zu werden.



Die Abschlusskundgebung war das Beste in Selbstverständigung

Die Auftritte/Reden am Schluss (besonders der Jugendlichen und Individualist*innen der Kämpfe im Alltag) trafen ins Schwarze und Urban Priol war gekommen, um sein satirisches Feuerwerk abzubrennen. Unter anderem fragte er: warum gibt es für überreichliches Geld keine Grenzen, für Menschen aber so hohe? Warum wird gegen die Verhüllungsdiktate für muslimische Frauen angegangen, aber nicht gegen die Verhüllungspraktiken für Steuerhinterziehung - vorgegangen.

Bayer hat mit dem Monsanto-Deal der Bestandsgesellschaft der Unkorrumpierbaren im Hinblick auf Achtsamkeit vor dem Leben den globalen Krieg angesagt. Nahrung aus genverändertem Saatgut und Agrochemie soll auf dem europäischen Kontinent Einzug halten, endlich durchgesetzt werden. Monsanto blieb über dem großen Teich noch zu weit weg. Der Kampf muss von den - im Verhältnis zur Natur und der Wahrung der Artenvielfalt - achtsam Gesonnenen angenommen werden. Die knetbaren Verwaltungstechnokraten in den politischen Zentralen haben versagt.

Die Multis der ‚Dokterei am Genom' – übrigens ein Stück mechanistischer Materialismus des 19.Jahrhunderts - wollen massiv ins Geschäft, ohne Rücksicht auf Risiken, gegen Vorsorge, das ist mit dem Deal offensichtlich geworden. Agrochemie und Saatgutmonopol sind operative Geschäftspraktiken, TTIP und CETA sowie Tisa, sind die zugehörigen vertraglichen Monstren, die über die Kontinente und Grenzen greifen, um den Griff formaljuristisch abzusichern. Es ist die Kriegserklärung an die natürliche Menschheit, die Tierheit und Biosphäre (natura naturans); während es der geschaffenen Natur (natura naturata) durch invasive, von Konzernen gesteuerte Manipulation ans Leder geht. Was die Natur in Abermillionen an Jahren in ihrer Weisheit ausgemittelt hat, soll in Kfz-Mechanikermanier umgeschustert werden.

Die Macht- und Geldkaste greift nach der Weltherrschaft, einfach so, in stillschweigender Übereinkunft. Sie will uns mit geheimen Freihandelsverträgen ihr Gesetz, ihren Willen überstülpen, auf Kosten von Demokratie und persönlicher Freiheit. Die Politik betätigt sich als Helferin dieses Bestrebens, eines abgebrühten Plans (der Amazon, Google, Apple, Facebook, Monsanto und Bayer).


Foto: (c) Verfasser

Info: Weltexpresso hatte verschiedentlich über TTIP, auch Ceta berichtet. Der letzte Artikel

https://www.weltexpresso.de/index.php/zeitgesehen/7999-letztes-von-attac