Was Steinmeier von anderen unterscheidet
Kurt Nelhiebel
Weltexpresso (Bremen) – In Zeiten wie diesen braucht Deutschland einen Bundespräsidenten, der im Gegensatz zum jetzigen Amtsinhaber ein ungestörtes Verhältnis zu Russland hat und gegenüber den USA vor einem offenen Wort nicht zurückschreckt. Dass Frank-Walter Steinmeier als Außenminister den Mut hatte, Donald Trump als „Hassprediger“ zu bezeichnen, dass er die Nato-Verbündeten, allen voran die USA, vor „Säbelrasseln und Krieggeheul“ gegenüber Russland gewarnt hat, das hebt ihn heraus aus der Masse der deutschen Politiker.
Wenn andere verlangten, den russischen Präsidenten Putin womit auch immer zu bestrafen, hat er zur Mäßigung aufgerufen. Wenn andere „die Russen“ dafür verantwortlich machten, dass der syrische Präsident Assad noch an der Macht sei, hat Steinmeier darauf hingewiesen, dass eine Lösung nur mit und nicht gegen Russland zu erreichen sein wird. Das ist es wahrscheinlich, was Angela Merkel mit dem Außenminister verbindet. Deshalb war ihr Steinmeier als Bundespräsident lieber als jeder andere aus der CDU, wohl wissend, dass sie damit das Risiko eingeht, Wähler an die Alternative für Deutschland oder an die Freien Demokraten zu verlieren. Dass Bundestagspräsident Norbert Lammert nicht kandidieren wollte, hängt vermutlich damit zusammen, dass seine zu erwartende Wahl die Spannungen in der CDU in weit größerem Ausmaß verschärft hätte, als das bei einer Wahl Steinmeiers zu erwarten ist.
Ob die Wahl eines Sozialdemokraten zum Bundespräsidenten atmosphärisch die Weichen für einen Regierungswechsel im Jahr 2017 stellen wird, ist keineswegs sicher. Als 1969 Gustav Heinemann gewählt wurde, konnte er aus gutem Grund von einem „Stück Machtwechsel“ sprechen. Noch im selben Jahr zog mit Willy Brandt erstmals ein Sozialdemokrat in das Bundeskanzleramt ein. Von den bisher elf Bundespräsidenten gehörten sechs der CDU an, zwei der SPD und zwei der FDP. Frank-Walter Steinmeier wird der dritte Sozialdemokrat an der Spitze des Staates sein. Der jetzige Amtsinhaber Joachim Gauck ist der einzige parteilose aber der am meisten parteiische aller Bundespräsidenten
Seine sozialen Wurzeln hat Frank-Walter Steinmeier im Arbeitermilieu. Der Vater war Tischler, seine Mutter Forstarbeiterin. Das allein besagt nicht viel. Sein politischer Protegé Gerhard Schröder stammt ebenfalls aus einfachen Verhältnissen und zog sich dennoch den Beinamen „Genosse der Bosse“ zu. Mit Schröder zusammen hob Steinmeier die Agenda 2010 aus der Taufe, die den sozialen Abstieg für Millionen Menschen nach sich zog. Für die Bewertung des Politikers Steinmeier reicht das allerdings nicht. Willy Brandt hat sich mit seiner Ostpolitik ins Geschichtsbuch eingetragen, aber er hat auch den Radikalenerlass zu verantworten, der eine ganze Generation politisch unter Generalverdacht stellte. Der erste Bundespräsident Theodor Heuß hat sich vehement dagegen gewandt, die von den Nazis begangenen Verbrechen mit der Schuld anderer zu verrechnen, aber 1933 hat er dem Ermächtigungsgesetz zugestimmt, das Adolf Hitler uneingeschränkte Vollmachten übertrug.
Anders als viele andere hat Frank-Walter Steinmeier dem Republikaner Donald Trump nicht zum Sieg im Präsidentschaftswahlkampf gratuliert. Das Ergebnis sei anders „als die meisten in Deutschland sich das gewünscht haben“. Für einen Außenminister ein gewaltiges, ein außerordentlich mutiges Wort. Dasselbe gilt für seine Äußerung: „Wer glaubt, mit symbolischen Panzerparaden an der Ostgrenze des Bündnisses mehr Sicherheit zu schaffen, der irrt. Wir sind gut beraten, keine Vorwände für eine neue, alte Konfrontation frei Haus zu liefern.“ Für den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Norbert Röttgen (CDU) war das ein „ungeheuerlicher Vorwurf“. Auch und gerade deshalb ist Frank-Walter Steinmeier im wohlverstandenen Interesse unseres Landes als Bundespräsident der rechte Mann am rechten Ort.
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