Ministerpräsident Volker Bouffier: „Wir müssen die Lehren aus der Geschichte ziehen, um sie lebendige Zukunft werden zu lassen“
Heinz Haber
Wiesbaden/Höchst. Ministerpräsident Volker Bouffier hat bei der Veranstaltung des Hessischen Städte- und Gemeindebundes zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus zur Erinnerung und Wachsamkeit aufgerufen: „Der heutige Gedenktag mahnt uns zur Vorsicht. Unsere Demokratie ist nicht unangreifbar. Und gerade deshalb erfordert sie eine klare Verteidigung. Damit wir nicht leichtfertig verspielen, was unsere kostbarsten Güter sind: Frieden, Freiheit und Sicherheit. Deshalb müssen wir die Lehren aus der Geschichte ziehen. Um aus der Erinnerung immer wieder lebendige Zukunft werden zu lassen.“
Bei der Gedenkstunde im Bürgerhaus von Höchst im Odenwald betonte der Hessische Regierungschef, dass die Gräueltaten des NS-Regimes keine plötzlichen Ereignisse und nicht das Werk einiger weniger waren: „Möglich war dies alles nur, weil viele, zu viele die verbrecherische Naziideologie freiwillig und frühzeitig mitgetragen haben. Hitlers willige Helfer fanden sich überall. Als Mitläufer, als Sympathisanten, als aktive Täter – oder einfach nur als Gleichgültige. Der ganz ‚normale‘ Faschismus wurde durch sie alle zum festen Bestandteil des Alltags.“ Heute, so Ministerpräsident Volker Bouffier, zeigten sich erschreckende Parallelen zu jener Zeit. In Europa und überall auf der Welt ließe sich das Erstarken der Populisten und Extremisten, die Zunahme von Instabilität und Krisen beobachten. „Wieder scheint die Welt aus den Fugen. Und wieder sind es die einfachen Antworten, die sich wachsender Beliebtheit erfreuen. Und wieder versuchen die Feinde unserer verfassungsmäßigen Ordnung die Demokratie zu delegitimieren, durch Begriffe wie ‚Lügenpresse‘, ‚Systemparteien‘ oder ‚Volksverräter‘. Wahrheit und Lüge im öffentlichen Diskurs vermischen sich. Hass, Hetze und Verleumdung finden in den sozialen Netzwerken den idealen Nährboden. Hier müssen wir eine klare Grenze ziehen und der Erosion unserer Werte gemeinsam und mit Entschlossenheit begegnen.“
Europaministerin Lucia Puttrich, die neben Ministerpräsident Bouffier für die Hessische Landesregierung an der Veranstaltung teilgenommen hat, sagte: „Unser Kontinent erlebt seit dem Zweiten Weltkrieg die längste Friedenszeit in seiner langen Geschichte und eine Zeit nie gekannten Wohlstands. Gerade der heutige Tag mahnt uns alle, wohin der Weg führen kann, wenn wir zulassen, dass Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Hass die Oberhand gewinnen.“
Der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, 1996 von Bundespräsident Roman Herzog als offizieller deutscher Gedenktag proklamiert, erinnert an die mehr als sechs Millionen ermordeten Juden und die vielen weiteren Opfer der NS-Herrschaft: an Christen, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung, Homosexuelle, politisch Andersdenkende sowie die Männer und Frauen des Widerstandes, Wissenschaftler, Künstler, Journalisten, Kriegsgefangene und Deserteure, Greise und Kinder an der Front und Zwangsarbeiter. Der Gedenktag sei angesichts der aktuellen Entwicklungen wichtiger denn je, wie Ministerpräsident Volker Bouffier betonte: „Ich bin der Überzeugung, dass unser Wille, die Erinnerung an das erfolgte Leid und Unrecht lebendig zu halten, klug und notwendig ist. Denn die Angriffe und Bedrohungen unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung erfolgen nicht nur durch grausame terroristische Anschläge, wie jüngst in Berlin. Sondern es sind auch die schleichenden Prozesse der Verdrängung, das Verblassen der Erinnerung und die langsame Verschiebung der Grenzen im Kopf und im Handeln. Es gilt wachsam zu sein, konsequent Haltung zu zeigen und jeglicher Gefahr von Anfang an entgegenzutreten.“
Bundestag Berlin
Im Bundestag hatten in Berlin Angehörige von Opfern der NS-Euthanasie daran erinnert, daß die von den Nazis ermordeten Kranken und Behinderten stärkerer Wahrnehmung bedürften. In diesem Jahr hat der Bundestag die Erinnerung an diese Opfergruppe in den Mittelpunkt seiner Gedenkstunde zum 72. Jahrestag der Befreiung der Überlebenden von Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945 gestellt.
Foto: Bundestag von heute (c) Redaktion