Enthüllung der Plakette für den geflohenen Professor für Pathologie Philipp Schwartz, den die Nazis umgebracht hätten, Teil 1/2
Heinz Markert
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Wenn er sich nicht zur Flucht entschieden hätte und zwar umgehend. Denn am 7. April 1933 war er fristlos aus dem Dienst der Pathologie am Universitätsklinikum in Frankfurt entlassen worden. Die Formel für Rassenhass und Menschenverachtung lautete: Judentum! - sie gebar aus der Automatik der verbreitetsten gesellschaftlichen Geisteskrankheit der Welt ein Todesurteil für alle, die unter jene Formel fielen.
Er nahm den Nachtzug nach Zürich. Auch ihm standen Fluchthelfer zur Seite, denn Emigration ist keine Reise an einen bestimmten sicheren Ort. Dieser muss erst ausgemacht und abgeprüft werden - in einem Land, das aufnahmebereit und freundlich gesinnt ist.
Die Türkei wurde für ihn zu diesem Land, denn sie war gerade mit dem Reformer Kemal Atatürk auf den Weg der Modernisierung gegangen, gelangte in eine Entwicklung, die ohne die Mithilfe wissenschaftlich Gebildeter aus anderen Ländern nicht so rasch durchführbar gewesen wäre. In diesem Kontext sei auf den Dokumentarfilm ‚Haymatloz‘ der türkischstämmigen Regisseurin Eren Ünsöz verwiesen, der sich mit den Nachfahren deutscher Exilanten in der Türkei befasst. Er wurde am Tag vor der Enthüllung der Philipp Schwartz-Plakette an der Goethe-Universität gezeigt.
Gleichsam im Gegenzug wurde kürzlich die Translationswissenschaftlerin Meral Camci aus Istanbul als Philipp-Schwartz-Stipendiatin in Deutschland aufgenommen. Sie hatte in der Türkei große Schwierigkeiten bekommen, ihr war gekündigt worden. Nun forscht sie an der Universität Mainz.
Haardtwaldstraße 2
Die Enthüllung der Plakette fand im Schneetreiben statt, Oberbürgermeister Feldmann hielt sich, der Kälte die Stirn bietend, im Anzug souverän am Rednerpult, während eine Kinderschaar Angekommener und Bleibender nahebei mit Saft und Gebäck schmauste – sie alle wussten sehr wohl, worum es ging, die hellen Kleinen. Zur Enthüllung der Plakette legte der OB dann den Mantel an und begab sich noch ans Halten der blauen Tuchgirlande unterhalb der soeben enthüllten Plakette für einen besseren Effekt beim Fotografieren.
Die Enthüllung bekam durch das Moment der symbolischen Rückkehr des Vaters eine besondere Präsenz durch die Anwesenheit – und kurze Ansprache – der Tochter von Philipp Schwartz, der Psychoanalytikerin Susan Ferenz-Schwartz, die sich ob der Situation sehr erfreut zeigte.
Die ehemalige Wohnung von Philipp Schwartz liegt unmittelbar am Haardtwaldplatz im Frankfurter Stadtteil Niederrad, in einer Gegend, wo zur Zeit des Wirkens des Professors die Linie 1 der Straßenbahn (heute 15) auch ihn Richtung Arbeitsplatz an der nicht weit entfernt gelegenen Uniklinik aufnehmen konnte. In dieser Gegend entstand im damaligen Frankfurt auch die erste Siedlung im Stil der neuen Architektur des Siedlungsdezernenten Ernst May.
Philipp Schwartz war 1894 in Versec in Österreich-Ungarn geboren. 1919 kam er an das Pathologische Institut der Frankfurter Universität. Nachdem er hier 1926 habilitiert hatte wurde er 1927 zum nichtbeamteten außerordentlichen Professor der Pathologie ernannt. Bereits 1933 musste er vor der Vernichtungspolitik der Nazis, die Gegnern wie all jenen in irgendeiner Hinsicht Unliebsamen galt, kapitulieren, wurde nach dem Zwischenaufenthalt in Zürich im Oktober 1933 Leiter des Instituts für Pathologie in Istanbul.
Im Jahr 1952 erhielt er als ‚Wiedergutmachung‘ den Titel des ordentlichen Professors (jedoch „nichtbeamtet“) an der Universität Frankfurt zuerkannt, bekam aber keine Stelle. Auch 1957 wurde er nochmals abschlägig beschieden. Er war dann ab 1953 als Pathologe am Warren State Hospital in Pennsylvania tätig. Er starb im Jahr 1977.
Foto: Oberbürgermeister Peter Feldmann mit Susan Ferenz-Schwartz © Heinz Markert
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- Kategorie: Zeitgeschehen