ausgangssperrenAus dem Corona-Newsletter des hr

Sven-Oliver Schibat

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Sind Sie in EM-Stimmung? Falls Sie noch am Überlegen sind, ob Sie nicht vielleicht doch noch nach England fliegen sollten, um sich das Spiel der deutschen Mannschaft nächste Woche vor Ort im Stadion anzuschauen: leider zu spät. Aufgrund der Corona-Maßnahmen hätten Sie bereits gestern in England einreisen müssen, um bis zum Spiel wieder aus der Quarantäne raus sein zu können. Aber es gibt ja noch die vielen kleinen Public Viewings in Cafés und Biergärten in Hessen für das richtige Fußball-Feeling.

Weitere Lockerungen in Hessen

Und hier ist es doch auch ganz schön. Vor allen Dingen jetzt, wo ab heute neue Corona-Lockerungen in Hessen gelten: Keine Masken mehr auf den Einkaufsstraßen, keine Haushaltsbeschränkung mehr bei privaten Treffen, zu Veranstaltungen dürfen bis zu 250 Personen in Innenräumen und bis zu 500 Personen im Freien kommen, keine Maskenpflicht mehr im Klassenzimmer, keine Quadratmeterbegrenzung mehr im Einzelhandel, und Hotels und andere Beherbergungsbetriebe können wieder ganz öffnen. Weitere Corona-Lockerungen können Sie hier nachlesen.


Lüften statt Maskenpflicht im Unterricht?

Doch gerade der Punkt mit der nicht mehr vorhandenen Maskenpflicht im Unterricht stößt nicht bei allen Menschen auf Begeisterung. Bei den ersten beiden Corona-Wellen waren hauptsächlich die sogenannten vulnerablen Gruppen betroffen, also alte und vorerkrankte Menschen. Bei einer eventuellen vierten Welle könnte es jedoch genau das andere Ende der Altersskala treffen: Die Kinder und Jugendlichen. Noch immer gibt es außer "regelmäßig Lüften" keine Schutzmaßnahmen in den Klassenzimmern, und für Kinder unter 12 Jahren gibt es noch nicht einmal einen zugelassenen Impfstoff. Der Frankfurter Virologe Martin Stürmer hätte sich deswegen gewünscht, die Maskenpflicht mindestens bis zu den Sommerferien beizubehalten. Das Interview mit ihm zu dem Thema können Sie hier nachlesen. Auch das RKI ist für eine Beibehaltung der Maskenpflicht an Schulen - sogar bis Frühjahr 2022.


Schulkinder besonders gefährdet

Schon jetzt gibt es immer wieder Ausbrüche an Schulen, wie zuletzt in Frankfurt-Fechenheim. Dort wurden im Umfeld einer Grundschule 31 Menschen positiv auf Covid-19 getestet, wovon zwei im Krankenhaus behandelt werden mussten. Bei den Schülerinnen und Schülern, sowie bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurden 23 Personen positiv getestet. Sieben der infizierten Personen waren mit der Delta-Variante infiziert, die nach Einschätzung der Gesellschaft für Immunologie die Herdenimmunität gefährden könnte.
 

Hat die Inzidenz als Pandemie-Messinstrument ausgedient?

Zu Beginn der Pandemie waren die Neuinfektionen das Maß aller Dinge, wenn es um den Beschluss von Corona-Maßnahmen ging. Diese wurden abgelöst von der 7-Tage-Inzidenz, die abbildet, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner:innen sich in den vergangenen sieben Tagen infiziert haben und so unterschiedlich dicht besiedelte Regionen vergleichbar macht. Zusätzlich zeigte sich, dass sich die Kurve der Todesfälle nahezu parallel zu der Kurve der Neuinfektionen entwickelte. Durch die Inzidenz konnte man also relativ gut abschätzen, wie kritisch die Lage war. Das änderte sich aber während der dritten Welle: Durch die voranschreitenden Impfungen traf es in der dritten Welle viel mehr vergleichsweise junge und damit ungeimpfte Menschen. Die Zahl der Infizierten stieg - aber die Zahl der Todesfälle sank.

Nun wissen wir inzwischen, dass Covid-19 nicht nur deswegen eine Krankheit ist, die es zu bekämpfen gilt, weil ältere oder vorerkrankte Menschen daran eher als junge Menschen sterben können, sondern es gibt auch noch "Long Covid" - also die Möglichkeit für Langzeitschäden, die oft sehr heftig sein können und die auch Kinder treffen können.


Inzidenz zeigt nur noch unscharfes Bild

In nächster Zeit werden nun immer mehr Menschen einmal oder sogar durchgeimpft sein und die Inzidenz wird weiter sinken. Das Problem könnte dann aber sein, dass wir Dinge übersehen. Denn wenn die meisten Erwachsenen durchgeimpft sind, wird sich das Virus überwiegend (aber nicht nur, denn Geimpfte sind schließlich nicht vollständig immun) bei jungen ungeimpften Menschen verbreiten. Und auch wenn diese nicht so oft auf der Intensivstation landen wie ältere Menschen: Das "Long Covid"-Risiko bleibt. Die Inzidenz wird dieses Infektionsgeschehen aber nicht mehr vernünftig abbilden können, weil sie auf alle Menschen schaut und nicht nur auf die, die potenziell gefährdet sind. Wir brauchen also in Zukunft einen neuen Wert, um die Lage beurteilen zu können.

Mit dieser Frage und möglichen Antworten hat sich Patrick Gensing vom ARD-faktenfinder in diesem Artikel beschäftigt. Und ich möchte Ihnen diesen Artikel aus einem Newsletter von Krautreporter ans Herz legen, in dem es um die Delta-Variante und ebenfalls um die Frage nach einem Nachfolger für die Inzidenz als Corona-Maßstab geht.


Werfen wir noch kurz einen Blick auf diese drei Themen:

Es gibt in nächster Zeit jede Menge Sonder-Impfaktionen: In Limburg-Weilburg, im Main-Kinzig-Kreis, in Marburg, in Babenhausen und für Kurzentschlossene gibt es im Vogelsberg die Möglichkeit, als "Impfspringer" schnell an eine Impfung zu kommen.US-Experten sehen einen Zusammenhang von selten auftretenden Herzmuskelentzündungen bei jungen Männern und der Corona-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff. Bei uns zugelassene mRNA-Impfstoffe sind die von Biontech und Moderna.Und wo wir bei Moderna und Biontech sind: Der Biontech-Impfstoff bietet 12 Tage nach der ersten Dosis laut Daten aus Israel einen Impfschutz von 51,4 Prozent - der von Moderna laut einer US-Studie nach 15 Tagen bereits beeindruckende 95 Prozent. Die Studie hat aber ein paar Einschränkungen.

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