Aus dem Corona-Newsletter des hr
Sven-Oliver Schibat
Frankfurt am Main (Weltexpresso) -Corona führt manchmal zu seltsamen Momenten. Zum Beispiel dann, wenn man Kolleginnen und Kollegen "in echt" gegenüber steht, die man seit eineinhalb Jahren nur noch mit verschwommenem Hintergrund auf seinem Monitor sieht. Oder wenn man solchen Menschen, denen man früher fast täglich irgendwo im Hessischen Rundfunk über den Weg gelaufen ist, die Frage stellt: "Wann haben wir uns eigentlich das letzte Mal gesehen? Das ist doch auch schon fast zwei Jahre her, oder?" Oder wenn man eine Einladung zur Abteilungs-Weihnachtsfeier bekommt - und die dieses Jahr im September stattfindet, weil niemand weiß, unter welchen Bedingungen man sich rund um Weihnachten treffen können wird.
Aber in den Geschäften gibt es ja schon ausreichend Spekulatius, Lebkuchen und Dominosteine, so wird auch dann für die passenden Speisen gesorgt sein.
Inzidenz sinkt
Fangen wir mit einer guten Nachricht an: Die Sieben-Tage-Inzidenz sinkt. Und das nicht nur in Hessen, sondern bundesweit. Ein gutes Zeichen? Vielleicht. Gestiegen ist sie, weil nach den Ferien überall vermehrt getestet wurde - insgesamt gab es über drei Millionen Corona-Tests in den ersten beiden Wochen - und so viele Infektionen vor allen Dingen bei jungen Menschen entdeckt wurden. Dennoch sind wir auch jetzt nur in vier Landkreisen wieder unterhalb der 50er-Marke: Waldeck-Frankenberg, der Vogelsbergkreis, Hersfeld-Rotenburg und der Werra-Meißner-Kreis sind auf unserer Corona-Karte wieder in einem entspannten Blau-Ton zu sehen, während der Rest von Hessen zum Teil noch deutlich kräftigere Warn-Farben zeigt. Die Stadt Offenbach bleibt leider mit 179,5 auch weiterhin unser Spitzenreiter.
Inzidenz wird abgelöst
Aber was reden wir noch über Neuinfektionen? Diese Woche hat das Land Hessen beschlossen, fortan nicht mehr auf die Sieben-Tage-Inzidenz zu schauen, wenn es um neue Maßnahmen im Rahmen der Pandemie geht, sondern auf den Hospitalisierungswert (auch Hospitalisierungsindizenz oder H-Inzidenz genannt) und die Zahl der Intensivpatienten. Warum mein Kollege Jan Eggers diese H-Inzidenz für unbrauchbar hält, hat er in diesem Artikel ausführlich erklärt. Sein Vorwurf im Kern: Die H-Inzidenz ist zu langsam und taugt bestenfalls für eine historische Betrachtung, nicht aber für tagesaktuelle und in die Zukunft gerichtete Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie.
Optionale 2G-Regel jetzt auch in Hessen
Und noch mehr wurde beschlossen: Die 2G-Regelung kann jetzt auch in Hessen eingesetzt werden, wobei Kinder von dieser Regelung ausgenommen sind: Unter 6-Jährige bräuchten keinerlei Nachweis, bei Kindern zwischen 6 und 12 Jahren reiche das Schul-Testheft. In öffentlichen Gebäuden und Ämtern soll weiterhin die 3G-Regelung gelten. Für Veranstaltungen gibt es ebenfalls neue Regeln und ab November könnte die Lohnfortzahlung im Quarantäne-Fall für Impfverweigerer wegfallen. In Italien geht man da übrigens noch weiter: Dort wird ein Covid-Impf- oder Testnachweis zur Pflicht am Arbeitsplatz.
Die neuen Pläne sorgten für viel Kritik: Die optionale 2G-Regelung bringt Friseure, Gastronomen und Veranstalter in die unangenehme Situation darüber entscheiden zu müssen, wer ihre Läden betreten darf und wer nicht. Ein Vorwurf lautete daher: Die Politik wälze die Entscheidung auf die Wirtschaft ab. Zudem ist die Umsetzung im Detail oft recht kompliziert, wie man am Beispiel des Schlachthofs in Wiesbaden sehen kann. Und auch die politischen Reaktionen waren nicht sehr positiv.
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Was bringt 2G und wie gut schützen die Impfstoffe?
Apropos 2G-Regelung: Nach einer Partynacht in einem Club in Münster wurden 83 Neuinfektionen mit dem Coronavirus registriert. Insgesamt waren 380 Menschen in dem Club - und sie alle waren wohl geimpft oder genesen. Zudem soll der Club ein gutes Hygienekonzept haben und mit einer sehr guten Lüftungsanlage ausgestattet sein. Bislang gab es nur milde Verläufe unter den Club-Besuchern und viele wurden durch einen Hinweis in der Corona-Warn-App auf ihre mögliche Infektion aufmerksam.
Ich greife diese Geschichte hier auf, weil sie mir in den letzten Tagen mehrfach begegnet ist. Und das meistens im Zusammenhang mit der Aussage: "Die Impfungen schützen ja gar nicht und 2G bringt auch nichts!" Dabei sollte man nicht vergessen, dass die Infizierten bislang nur leichte Verläufe oder gar keine Symptome hatten. Die Impfung hat sie diesbezüglich also geschützt. Und hätte man den Club nicht nur mit der 2G-Regel geöffnet, sondern mit der 3G-Regel, hätte es bei den ungeimpften Personen noch mehr Infektionen geben können, die dann womöglich nicht nur leichte Verläufe gewesen wären.
Und wie sieht es gerade insgesamt mit den Impfdurchbrüchen aus? Laut des RKI-Wochenberichtes vom 16. September (ab Seite 17) gab es bislang 39.228 wahrscheinliche Impfdurchbrüche seit der fünften Kalenderwoche in Deutschland. Davon wurden 25.767 Personen vollständig mit dem Biontech-Impfstoff geimpft, 6.106 mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson, 2.875 mit dem von Astrazeneca, 1.748 mit dem von Moderna und der Rest entfällt auf Kreuzimpfungen mit Astrazeneca und einem anderen Impfstoff.
Allerdings wurden in Deutschland auch die mit Abstand meisten Menschen mit dem Biontech-Impfstoff geimpft (Stand 16.9.: 40.512.883 Zweitimpfungen, wobei dort aber auch die Kreuzimpfungen mit Astrazeneca drin sind) - und am wenigsten mit dem Impfstoff von Johnson & Johnson (Stand 16.9.: 3.031.569).
Im Verhältnis gab es also deutlich mehr Impfdurchbrüche bei Johnson & Johnson als bei Biontech - und mit Blick auf die erfolgten Impfungen insgesamt sind es nur sehr wenige Menschen, bei denen überhaupt ein Impfdurchbruch festgestellt wurde. In Frankreich will die französische Medikamentenbehörde übrigens die Schutzwirkung des Corona-Impfstoffs von Johnson & Johnson näher untersuchen. Dort ist es bei Menschen, die diesen Impfstoff erhalten haben, bei Impfdurchbrüchen sogar zu Todesfällen gekommen.
Gerade jetzt, wo es draußen immer herbstlicher wird, sollte man aber nicht nur über Corona-Impfungen reden, sondern auch über Grippe-Impfungen. "Das Wichtigste für den zweiten Corona-Herbst wird sein, dass sich möglichst viele Menschen impfen lassen, und das nicht nur gegen das Coronavirus, sondern auch gegen die Grippe", sagte Ulrich Weigeldt, Vorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes der "Rheinischen Post". Aber muss man dabei irgendwas beachten, damit sich der Corona- und der Grippe-Impfstoff nicht in die Quere kommen?
Dazu habe ich diese Woche zwei Aussagen gelesen: In diesem Artikel von den Kollegen vom SWR hieß es, der Abstand zwischen einer Corona- und einer Influenza-Impfung solle mindestens zwei Wochen betragen, während in diesem Artikel auf tagesschau.de Verbandschef Weigeldt rät, am besten gleichzeitig gegen Corona und Influenza zu impfen. Auch die Stiko hätte dagegen keine Bedenken. Und ehrlich gesagt: Ich kann Ihnen jetzt leider auch nicht sagen, auf wen man da am besten hören sollte. Nur eines ist klar: Auch Influenza sollte man nicht unterschätzen und sich deswegen auch hier rechtzeitig um einen Impftermin kümmern.
Facebook löscht "Querdenker"
Und eine Meldung noch: Facebook hat der "Querdenken"-Bewegung den Kampf angesagt und über 150 entsprechende Kanäle auf seiner Plattform gelöscht. Das betrifft Facebook selber, als auch Instagram, das ebenfalls zu Facebook gehört. "Querdenken" sei für eine "koordinierte Schädigung der Gesellschaft" verantwortlich, würde Falschinformationen verbreiten und zur Gewalt anstiften.
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