... aber „Bomben ticken“ immer noch
Klaus Jürgen Schmidt
Norddeutschland (Weltexpresso) – Seit Herr Juschkat mir geraten hat, meine Armbanduhr jeden Tag mindestens 120 mal zu schütteln, beginnt damit bei mir jeder Morgen. Herr Juschkat ist Uhrmacher-Meister und meine Uhr ist eine SEIKO-Automatik, 1976 in Hong Kong gekauft. Damals war das der letzte Schrei, eine Uhr, deren Federwerk sich durch natürliche Armbewegungen selber aufzog. Herrn Juschkat war klar, woran es lag, dass meine SEIKO jetzt gelegentlich stehen blieb: Zu wenig Bewegung! Also entweder eine neue Uhr mit Batterie oder die alte jeden Tag 120 mal schütteln.
Ich machte anfangs den Fehler, Batterie-Uhren, die es öfter als Werbe-Zugabe bei Abos oder anderen Sonderangeboten gab, als Geschenk aus Deutschland nach Afrika mitzunehmen.
Fehler – weil die dort Beschenkten nicht das Geld hatten, sich Ersatzbatterien zu kaufen, sobald das Geschenk seinen Geist aufgegeben hatte.
Von Batterie-Uhren lese ich nichts im UNESCO-Verzeichnis, welches das „Uhrmacherhandwerk“ als „immaterielles Kulturerbe“ auflistet, stattdessen folgendes:
„Die Zeitmessung als Grundlage des Uhrmacherhandwerks hat historische Entwicklungen wie Seenavigation und die Industrialisierung mitgeprägt. Neben den traditionellen Techniken der Metallbearbeitung mussten Uhrmachende früher die Berechnung von Getrieben sowie die Herstellung von Rädern und Trieben erlernen. Eine besondere Kunst bestand darin, das Hemmungssystem anzufertigen. Schon bald wurden die Uhren mit Zusatzsystemen ausgestattet: Schlagwerke und komplizierte Anzeigen, die Planetenbewegungen, Mondphasen oder das Datum anzeigen. Die Erfindung der Zugfeder um 1500 ermöglichte die Herstellung von kleinen tragbaren Uhren. Die grundlegenden handwerklichen Fertigkeiten haben sich seitdem kaum verändert.“
Das „Hemmungssystem“!
Von Herrn Juschkat weiß ich, dass dies jener Mechanismus ist, den man beim „Tick-Tack“ hört, der Anker, der fällt und sich wieder löst, um den Zug der Feder zu bremsen und wieder freizugeben.
Kein „Tick-Tack“ mehr in Uhren, die keine Feder mehr brauchen.
Und wie ist es um das Handwerk bestellt?
Im UNESCO-Verzeichnis heißt es:
„Bundesweit gibt es derzeit rund 2.600 Handwerksbetriebe. Die heutige Ausbildung in der Uhrherstellung beruht größtenteils noch auf den traditionellen Kenntnissen und Fertigkeiten über Materialien wie Eisen, Stahl oder Messing, deren Bearbeitung sowie den Techniken Sägen, Feilen, Bohren, Drehen, Schleifen und Polieren. Hinzu gekommen sind moderne Fertigungstechnologien, während sich die Werkzeuge über die Jahrhunderte kaum verändert haben.“
Und was jetzt folgt, ist keine Schleichwerbung, sondern Übergang zur Unterzeile meiner Überschrift:
„Seit über 100 Jahren steht Dugena für qualitativ hochwertige Uhren zu bezahlbaren Preisen und ist eine der bekanntesten und etabliertesten Uhrenmarken Deutschlands. Dem Geist unserer Gründungsväter folgend, sehen wir uns auch heute in der Tradition und Verpflichtung, zuverlässige und präzise Uhren in zeitgerechtem Design zu bauen. In unserer breit gefächerten Kollektion findest du deine Dugena, die zu dir und deinem Leben passt. Wir sind die Uhr für Generationen.“
Ich erinnere mich an meinen Vater und dessen Bruder, der eine Buchdrucker und Schriftsetzer, der andere Uhrmacher bei Dugena. Und hier kommt eine andere Seite der Uhrmacherkunst ins Spiel, die beiden Brüdern sehr unterschiedliche Schicksale bereitete.
Der eine, mein Vater wurde eingezogen zur Wehrmacht, er kam in russische Kriegsgefangenschaft. Der andere, sein Bruder war freigestellt vom Kriegsdienst, sein Handwerk wurde bei Dugena benötigt für Navigationsgeräte und zeitgesteuerte Bomben-Zünder.
Drei Generationen weiter tickt nichts mehr, wenn die Uhrzeit von Smartphones abgelesen wird. Doch zu lesen ist dort gerade in diesen Tagen:
„In der Ukraine tickt die Bombe!“
Foto:
©KJS
Info:
https://www.unesco.de/kultur-und-natur/immaterielles-kulturerbe/immaterielles-kulturerbe-deutschland/uhrmacherhandwerk
https://www.dugena.de/de/die-marke
Quelle: