Adele Hübener-Neuwerk
Insel Neuwerk (Weltexpresso) – Wir alle sind in diesen Tagen bei den tapferen Ukrainern, die sich von den Russen nicht unterkriegen lassen. Deswegen stößt es mir sauer auf, dass sie sich jetzt mit Leuten einlassen, von denen bei uns kein Hund ein Stück Wurst nehmen würde, nämlich mit Ultrarechten und richtiggehenden Nazis, wie dieser Tage in der Zeitung zu lesen war.
Wie soll ich meiner Nachbarin klarmachen, dass sie nicht noch einmal die AfD wählen soll, wenn Sie als Außenministerin nichts dabei finden, dass die ukrainische Regierung sich Hilfe bei Leuten holt, die es für eine historische Missionen der ukrainischen Nation halten, „die weißen Rassen der Welt in einem finalen Kreuzzug gegen die semitisch geleiteten Untermenschen“ anzuführen. So zitiert die „Süddeutsche Zeitung“ vom 1. April den Gründer der Bewegung um das Asow-Regiment, Andrij Bilezkij. Die aus Freiwilligen bestehende Einheit hat ihre Wurzeln in einem Fanclub des FC Metalist Charkiw. Ultranationalistisches und neonazistisches Gedankengut sei bei ihr an der Tagesordnung.
Selber bezeichnet sich das Asow-Regiment als Unterabteilung der Nationalgarde, die sowohl Nazismus als auch Stalinismus verurteile. Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, erklärte derselben Quelle zu Folge, Mariupol werde vom Asow-Regiment mutig verteidigt. Tatsächlich besteht nach Darstellung der Süddeutschen Zeitung daran kein Zweifel. Ohne die Rechtsradikalen wäre die strategische wichtige Stadt wohl schon längst in russischer Hand. Die UN-Menschenrechtskommission habe bereits 2014/2015 mehrfach über Plünderungen, illegale Festnahmen und Folter durch Asow-Männer berichtet.
Das klingt nicht sehr Vertrauen erweckend, liebe Frau Baerbock, und ich wünschte mir, Sie würden ein offenes Wort zu dieser Brüderschaft sagen. Immerhin hält der Politikwissenschaftler und Ukraine-Experte Andreas Umland die politischen Ableger des Asow-Regiments für die „möglicherweise größte einheimische rechtsradikal-extremistische Bedrohung für die Demokratie in der Ukraine“. Vor diesem Hintergrund bekommen die Warnungen des russischen Präsidenten vor einem „Aufstieg des rechtsextremen Nationalismus, der sich rasch zu aggressiver Russophobie und Neonazismus“ entwickeln könne, eine neue Dimension. Keinesfalls rechtfertigen sie einen Angriffskrieg mit seinen dramatischen Folgen.
Angesichts des schleppenden Fortgangs der russischen Operationen entpuppt sich die angekündigte Entnazifizierung der Ukraine als pure Propaganda. Dasselbe gilt für die Drohung, all „diejenigen vor Gericht zu bringen“, die Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung begangen hätten, zumal da es nach Putins Worten nicht das Ziel der „russischen Spezialoperationen“ sei, die „ganze Ukraine zu besetzen“.
Der Ausgang des riskanten Manövers, auf das sich der russische Präsident eingelassen hat, ist absehbar: Die Ukraine und die russische Föderation werden in ihren alten Grenzen fortbestehen, die Ukraine nach dem Vorbild von Österreich und Finnland als neutraler Pufferstaat mit der Aussicht auf Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Vorausgesetzt, verehrte Frau Baerbock, der Westen entledigt sich vorher der rechtsradikalen Freunde, mit denen er heute in Mariupol und anderswo gemeinsame Sache macht.
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