Veröffentlichungen des Paritätischen Gesamtverbandes, Berlin, Teil 122
Der Paritätische
Berlin (Weltexpresso) - Am 30.03 2022 wurde im Kabinett der Entwurf einer Formulierungshilfe der Bundesregierung für die Fraktionen der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP „Entwurf eines Gesetzes zur Zahlung eines Bonus für Pflegekräfte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen“ (Pflegebonusgesetz) verabschiedet. Die 1. Lesung im Bundestag ist für den 07. April 2022 vorgesehen.
Die Regelungen zur Langzeitpflege finden sich im Artikel 2 Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch (XI) Soziale Pflegeversicherung des Pflegebonusgesetzes. Zur Umsetzung der Bezahlung von Pflege- und Betreuungskräften in der Langzeitpflege mindestens in Tarifhöhe werden §§ 72, 82c SGB XI erneut geändert. Zur Umsetzung von Prämienzahlungen im Bereich der Langzeitpflege wird § 150a Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) angepasst.
Der Paritätische hatte zu den Formulierungshilfen für die Anhörung im BMG am 18. März 2022 eine Stellungnahme abgegeben und sich zu allen Änderungen umfassend positioniert: www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/bmg-beraet-stellungnahmen-zum-pflegebonus-und-zur-umsetzung-der-tariferegelungen-in-der-pflege/
Der Paritätische bewertet die Regelungen zu einem Pflegebonusgesetz (PflBG) wie folgt:
Die Situation in Pflegeeinrichtungen und aller, die dort im Einsatz sind, ist zu Recht während der Pandemie noch stärker in den öffentlichen Fokus gerückt, da hier nachvollziehbarerweise die Krisenbewältigung zur besonderen Herausforderung wurde und auch weiterhin bleiben wird. Das Engagement der Beschäftigten muss folgerichtig auch über den erneuten Bonus honoriert und gewürdigt werden, indem Pflege- und Krankenkassen eine Sofortzulage für Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen und -diensten als Sonderleistung in Form einer Vorauszahlung erstatten, die diese in der zweiten Jahreshälfte steuer- und sozialversicherungsabgabenfrei erhalten, was der Paritätische grundsätzlich begrüßt. Dabei kann es aber nicht bleiben. Grundsätzlich fordert der Paritätische, dass die in Angriff genommenen Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Personalausstattung in der Pflege auch weiterhin nicht aus dem Blick geraten dürfen und entsprechend umgesetzt werden müssen.
Aus dem Bundeshaushalt werden insgesamt eine Milliarde Euro für Prämienzahlungen zur Verfügung gestellt. Dabei werden 500 Millionen Euro für Prämienzahlungen im Krankenhausbereich verwendet und weitere 500 Millionen Euro werden für Prämienzahlungen im Bereich der Langzeitpflege eingesetzt. Viele weitere Bereiche, wie z.B. die Eingliederungshilfe finden keine Berücksichtigung. Es gibt grundsätzlich viele Berufsgruppen in der Sozialwirtschaft, die in gleicher Art und Weise Anerkennung verdient haben. Die dort Beschäftigten haben, und tun es immer noch, ebenso am Limit gearbeitet, waren ebenso hohen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt und haben mit außerordentlichem Engagement den Menschen geholfen. Leider stehen sie zu oft in der öffentlichen und politischen Wahrnehmung im Schatten – und offenkundig ebenso, wenn es – wie aktuell – um Bonuszahlungen geht.
Ungeachtet dessen gibt es Einrichtungsformen im Grenzbereich zur Altenhilfe, Betreuung und der Pflege. Dabei geht es um Einrichtungen die z.B. der Eingliederungshilfe oder der Altenhilfe nahe stehen, die aber formal keinen Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI haben, aber bei denen die Beschäftigten dem Sinn und Zweck nach Leistungen erbringen, die genauso gut dem SGB XI zugeschrieben werden können. Als Bsp. wären so genannte Wohnstifte zu nennen. Häufig ist es so, dass diese Einrichtungsformen den heimrechtlichen Bestimmungen unterliegen oder sich diesen unterwerfen, aber eben keine zugelassenen vollstationären Pflegeeinrichtungen darstellen. Bereits bei den Regelungen zur ersten Sonderzahlung sind diese Grenzbereiche durchs Raster gefallen. Es ist nicht vermittelbar, weshalb Mitarbeitende hier keinen Bonus bzw. die erwartbare Anerkennung erhalten sollen. Gleiches gilt für Komplexeinrichtungsträger, also Träger die in unterschiedlichen sozialen Bereichen aktiv sind. Auch hier können Mitarbeitende verständlicher Weise nicht nachvollziehen, weshalb die Arbeit im „Pflegebereich“ finanziell honoriert wird und im benachbarten Bereich nicht, wohlwissend, dass die Versorgung von beeinträchtigten Menschen nicht minder anspruchsvoll und herausfordernd ist. Dies strapaziert im hohen Maße den innerbetrieblichen Hausfrieden. Insbesondere während der Coronapandemie haben Mitarbeitende aus verschiedenen Tätigkeitsbereichen in den Einrichtungen sehr eng miteinander zusammengearbeitet und sich gegenseitig unterstützt. Dem muss insgesamt Rechnung getragen werden. Es ist nicht verständlich, dass sich das Problem der vorangegangenen Bonuszahlung wiederholt.
Im Einzelnen sehen die Regelungen zur Prämienzahlung im Bereich der Langzeitpflege § 150a des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) folgendes vor:
Betreiber von zugelassenen Pflegeeinrichtungen und weitere Arbeitgeber in der Langzeitpflege werden – entsprechend der Regelung des Jahres 2020 – verpflichtet, ihren Beschäftigten nach dem 30. Juni 2022, spätestens bis zum 31. Dezember 2022, eine zusätzliche finanzielle Anerkennung (Corona-Pflegebonus) für ihre besonderen Leistungen und Belastungen zu zahlen. Das Auszahlungsverfahren zu dieser Sonderleistung orientiert sich am erprobten Verfahren der Corona-Prämienregelung des Jahres 2020. Die Betreiber der Pflegeeinrichtungen erhalten den Betrag, den sie für die Auszahlung der Corona-Pflegeboni benötigen, von der sozialen Pflegeversicherung im Wege der Vorauszahlung erstattet. Beschäftigte, die in oder für zugelassene Pflegeeinrichtungen in der Alten- und Langzeitpflege innerhalb des Bemessungszeitraums (1. November 2020 bis 30. Juni 2022) für mindestens drei Monate tätig und am 30. Juni 2022 noch beschäftigt und tätig sind, erhalten einen nach verschiedenen Kriterien (Nähe zur Versorgung, Qualifikation, Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit) gestaffelten Rechtsanspruch auf einen steuer- und sozialversicherungsbeitragsfreien Corona-Pflegebonus in Höhe von bis zu 550 Euro. Den höchsten Bonus erhalten dabei Vollzeitbeschäftigte in der direkten Pflege und Betreuung. Auch Auszubildende, Freiwilligendienstleistende, Helferinnen und Helfer im freiwilligen sozialen Jahr und Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Servicegesellschaften, die in der Alten- bzw. Langzeitpflege tätig sind, erhalten einen Bonus.
Folgende Änderungen beinhalten die Tariferegelungen in der Pflege:
Die Umsetzung der Regelungen der §§ 72, 82c SGB XI zur Zahlung einer Entlohnung mindestens in Tarifhöhe für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Pflege und Betreuung ab dem 1. September 2022 durch zugelassene Pflegeeinrichtungen wird derzeit von den beteiligten Akteuren mit Hochdruck vorangetrieben. Im Zuge der hierbei im Vorfeld erfolgten Datenauswertungen und Beratungen wurden Optimierungs- und Klarstellungsbedarfe zum Verfahren identifiziert, die in diesem Gesetz umgesetzt werden. Sie dienen insbesondere der bürokratiearmen Umsetzung und Transparenz des Verfahrens. Dazu gehören folgende Änderungen:
Im Zuge der erstmaligen Mitteilung nach § 72 Absatz 3e SGB XI im Jahr 2021 wurde nach Auswertung der gemeldeten Daten deutlich, dass ein Teil der an Tarifverträge oder an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebundenen Pflegeeinrichtungen entgegen der gesetzlichen Verpflichtung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig alle angeforderten maßgeblichen Informationen gemeldet hat. Daher wird es dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen ermöglicht, in den Richtlinien nach § 72 Absatz 3c SGB XI auch Regelungen zu den Folgen der Nichteinhaltung der Mitteilungspflichten gemäß § 72 Absatz 3d Satz 2 sowie Absatz 3e SGB XI zu treffen.Im Zuge der Vorbereitung der Umsetzung der Regelungen zur Entlohnung nach Tarif wurde deutlich, dass einerseits die Pflegekassen und ihre Verbände ohne Vorliegen der konkret angewendeten Tarifverträge oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen gemeldete, nicht plausible Informationen nur mit sehr großem bürokratischen Aufwand plausibilisieren können, zum anderen für die nicht tarif- oder kirchenarbeitsrechtlich gebundenen Pflegeeinrichtungen der Zugang zu den Regelungen und Entgelttabellen von regional anwendbaren Tarifwerken und kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen zum Teil nur sehr eingeschränkt möglich ist. Aus diesem Grund werden die tarif- bzw. kirchenarbeitsrechtlich gebundenen Pflegeeinrichtungen verpflichtet, ab der Mitteilung nach § 72 Absatz 3e SGB XI zum 30. September 2022 neben den maßgeblichen bzw. fachlich erforderlichen Informationen auch die jeweils zum 30. September des Jahres geltende, durchgeschriebene Fassung des Tarifvertrags oder der kirchlichen Arbeitsrechtsregelung zu übermitteln. Diese werden nach § 82c Absatz 5 Satz 3 SGB XI in der Fassung dieses Gesetzes den Pflegeeinrichtungen auf Wunsch zur Verfügung gestellt, soweit nicht zwingende betriebliche Gründe dagegensprechen. Auch die Veröffentlichungspflichten der Landesverbände der Pflegekassen nach § 82c Absatz 5 SGB XI im Übrigen werden weiter konkretisiert.
Bedauerlicherweise schließt der Kabinettsentwurf (wie schon der Vorentwurf aus dem BMG) die „sonstigen Beschäftigten“ der nicht-tarifgebundenen Pflegeeinrichtungen von der gesetzlichen Regelung über die Wirtschaftlichkeit von Personalkosten aus. Das würde nach hiesigem Verständnis bedeuten, dass die Wirtschaftlichkeit von Personalkosten dieser Beschäftigtengruppe allein auf der Grundlage des externen Vergleichs beurteilt werden würde. Eine höhere Bezahlung wegen eines sachlichen Grundes, wie es nach derzeitiger Rechtslage möglich ist, wäre ausgeschlossen. Der Kabinettsentwurf hält darüber hinaus daran fest, dass die GKV-Richtlinien Sanktionen für die Pflegeeinrichtungen bei Nichteinhaltung der Meldefristen vorsehen können.
Angesichts des hohen Zeitverzuges des gesamten Umsetzungsprozesses und um mehr Zeit für:
laufende Tarifverhandlungen,individualvertragliche Anpassungen der Arbeitsverträge und weitere betriebliche Umstellungsprozesse, auch im Einklang mit dem Betriebsverfassungsgesetz sowiedie anstehenden Vergütungsverhandlungendie Berücksichtigung der geplanten Mindestlohnsteigerung zum 01.09.2022 in der Anpassung der einrichtungsinternen Vergütungsstruktur einzuräumen, plädiert der Paritätische u.a. für eine Verschiebung des Umsetzungsstichtages vom 1. September 2022 auf den 1. März 2023. Zudem sollte die Umsetzungspflicht in Bezug auf die neuen Regelungen für Einrichtungen, die sich bereits in Tarifvertragsverhandlungen befinden, bis zum Abschluss eines Tarifabschlusses ausgesetzt werden!
Dokumente zum Download
FH_GEBT_Pflegebonus.pdf (112 KB)
https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/FH_GEBT_Pflegebonus.pdf
Foto:
©bundesregierung.de
Bundesregierung verabschiedet Kabinettsentwurf zum Pflegebonus und zur Umsetzung der Tariferegelungen in der Pflege
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