Der Paritätische
Berlin (Weltexpresso) - Der Zugang zu angemessener gesundheitlicher Versorgung für Schwangere und Gebärende ist ein Menschenrecht und hat direkte Auswirkungen auf die Lebensqualität von gebärenden Personen sowie ihre gesellschaftliche Teilhabe. Das deutsche Gesundheitssystem ist von einem stetigen Personalmangel, Hierarchiestrukturen und einer enormen Arbeitsbelastung der Fachkräfte geprägt. Immer wieder berichten Fachkräfte und Personen, die eine Geburt erlebt haben, von mangelnder Versorgung, Gewalterfahrungen und Diskriminierung in der Schwangerenversorgung oder unter der Geburt.
Besonders betroffen sind marginalisierte und minorisierte Personen, wie beispielsweise Black, Indigenous, People of Colour (BIPoC), trans*, inter* und andere queere Personen, Menschen, die in Armut leben, und Menschen mit Sprachbarrieren, Beeinträchtigungen oder Erkrankungen.
Das Projekt „Selbstbestimmung und Vielfalt in der Geburtshilfe“ des pro familia Bundesverbands, gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“, möchte dem entgegenwirken. Verschiedene Veranstaltungen sollen Fachkräften der Schwangerenversorgung, Geburtshilfe und Wochenbettbetreuung sowie jungen Engagierten im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und Rechte (SRGR) die Möglichkeit bieten, sich entsprechend einer reproduktiven Gerechtigkeit zu informieren. Das Projekt zielt darauf, vielfältige Bedarfe sichtbar zu machen und eine Debatte anzustoßen, um Fachkräfte zu sensibilisieren, so dass Gebärenden trotz struktureller Herausforderungen mehr Selbstbestimmung unter der Geburt ermöglicht, Gewalt im Geburtsumfeld reduziert und der Weg zu einer menschenrechtskonformen Geburtshilfe geebnet wird.
Alle Veranstaltungen des Projekts werden dokumentiert, so dass Fachkräfte rund um die Geburt langfristig auf die Inhalte, Perspektiven und Anregungen der Expert*innen zugreifen können.
Nun sind die Dokumentationen der ersten beiden Webinare erschienen.
In dem ersten Webinar des Projekts wurde eine Grundlage geschaffen, in dem zunächst über die Missstände und Gewalt in der Geburtshilfe informiert wurde. Nach einem Austausch über Praxiserfahrungen der Teilnehmenden in Kleingruppen, wurde die S3 Leitlinie zur vaginalen Geburt am Termin vorgestellt, die eine selbstbestimmte Geburt fördern soll. In der anschließenden Diskussion ging es um Möglichkeiten, wie die S3 Leitlinie in der Praxis umgesetzt und die Selbstbestimmung schwangerer sowie gebärender Personen von Fachkräften gestärkt werden kann.
Referierende: Dr. Tina Jung (Politikwissenschaftlerin), Dr. Katharina Hartmann (Mother Hood e.V.), Kerstin Stehr-Archuth (Leitende Hebamme im Ev. Amalie Sieveking Krankenhaus Hamburg)
Im zweiten Webinar wurde der Fokus auf queere Schwanger- und Elternschaften gelegt. Als Webinareinstieg in das Thema wurde das Policy Paper „Queer und schwanger“ vorgestellt, wodurch Diskriminierungserfahrungen und Verbesserungsbedarfe in der geburtshilflichen Versorgung sichtbar wurden. Danach wurde in einem weiteren Input verstärkt auf die Bedarfe von trans* Personen während Schwangerschaft, Geburt und Elternschaft eingegangen. Zudem gab es einen Einblick in die queersensible Arbeitspraxis des Cocoon Hebammen*Kollektivs. Die anschließende Diskussion bot den Teilnehmenden die Möglichkeit zu erfahren, wie sie selbst Queersensibilität in ihre Berufspraxis einbinden und somit den Bedarfen von queeren Personen gerecht werden können.
Referierende: Ska Salden (Psycholog*in), Marek Sancho Höhne (Sozialanthropolog*in und Kulturwissenschaftler*in), Toni Vanessa Böhm (Cocoon Hebammen*kollektiv)
(Quelle/Text: pro familia Bundesverband)