Der Paritätische
Berlin (Weltexpresso) - Anlässlich der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Jahressteuergesetzes am 25.09.2024 und der darin enthaltenen Einführung der Wohngemeinnützigkeit, kritisiert ein Bündnis von Mieter-, Wohlfahrts-, Verbraucher- und Umweltverbänden die geplante Umsetzung der Wohngemeinnützigkeit als unzureichend.
Durch die im Gesetz geplante Einführung eines wohngemeinnützigen Zwecks (§ 52 Abgabenordnung) entsteht die steuerrechtliche Möglichkeit für gemeinnützige Körperschaften, sich einfacher dem bezahlbaren und gemeinnützigen Wohnen widmen zu können. Dies ist ein richtiger erster Schritt und als solcher zu begrüßen, damit es gemeinnützigen Akteuren überhaupt im Rahmen eines Satzungszwecks erlaubt ist, sich bei der gemeinnützigen sowie sozialen Vermietung von Wohnraum unterhalb des Marktpreises zu engagieren. Ohne Investitionszulagen wird es hingegen schwer, ein dauerhaft preisgebundenes Segment im überhitzten Mietwohnungsmarkt zu etablieren und langfristig bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Der wohngemeinnützige Zweck kann so aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse allenfalls im Ausnahmefall genutzt werden, da gemeinnützige Körperschaften weder ertragsstarke noch eigenkapitalsstarke Unternehmen sind. Ebenso fehlen zentrale Weichen für eine Ausweitung des gemeinnützigen Wohnungsmarktsegments, wie etwa die vergünstigte Bereitstellung öffentlicher Grundstücke. Deshalb fordert das Verbändebündnis über die Neuregelung hinaus dringend ein Investitionsförderprogramm, das gezielt gemeinnützige Wohnangebote fördert, andernfalls droht eine richtige Idee zur Nischenlösung zu verpuffen.
Zum Hintergrund: Die Wiedereinführung der Wohngemeinnützigkeit ist insbesondere eine Reaktion auf einen dysfunktionalen Wohnungs- und Mietmarkt. Das Auslaufen der Sozialbindungen im sozialen Wohnungsbau ist ein zentrales Problem der akuten Wohnkrise in Deutschland. Es gibt nur noch rund 1 Millionen Sozialwohnungen in Deutschland, 1990 gab es noch rund drei Millionen Sozialwohnungen. Seitdem nimmt die Anzahl jährlich ab, da einerseits wenige Sozialwohnungen gebaut werden und andererseits eine den Neubau übersteigende Anzahl von Sozialwohnungen aus der Sozialbindung fallen. Eine aktuelle Studie beziffert den Mangel auf rund 910.000 Sozialwohnungen in Deutschland.
Diese Entwicklung trifft auf einen extrem angespannten Mietmarkt mit teils explodierenden Mieten, insgesamt gestiegenen Zinsen und massiv erhöhten Bodenpreisen, sodass der Neubau überaus teuer geworden und dadurch ins Stocken geratenen ist. Die sozialen Folgen dieser Krise und der wohnungspolitischen Fehlsteuerungen vergangener Jahre und Jahrzehnte sind vielfach sichtbar: Wohnungsverluste und drohende Wohnungslosigkeit, schutzsuchende Frauen* und Kinder, die aufgrund von fehlenden Kapazitäten keinen Platz im Frauen*haus finden, eine steigende Wohnkostenüberlastung insbesondere einkommensarmer Menschen, Verdrängung aus dem eigenen Zuhause und sozialen Zusammenhängen, sog. „Lock-in-Effekte“ insbesondere in Großstädten, sodass Familien in beengten Wohnungen verharren müssen und andere Menschen aufgrund ansonsten steigender Mieten in zu großen Wohnungen verbleiben, und vieles mehr. Gleichwohl die Frage nach einer bezahlbaren Wohnung auch die Mittelschicht zunehmend belastet und zum Fachkräfteproblem beiträgt, sind Menschen mir niedrigen Einkommen und in prekären Lebenslagen von dieser Situation besonders hart betroffen und in ihrer Existenzgrundlage bedroht.
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forderungspapier_wohngemeinnuetzigkeit_2024.pdf (112 KB)
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